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Garcia-Roza, Luiz Alfredo: „Das Schweigen des Regens“ – „Südwestwind“ – „Die Tote von Ipanema“

Nora Pester | | Artikel drucken
Lesedauer: 3 Minuten

Tod an der Copacabana

Luiz_Alfredo_Garcia_Roza_Das_Schweigen_des_Regens_Die_Tote_von_Ipanema_Suedwestwind.jpgWer heute einen Streifzug durch die Welt der Kriminalromane unternimmt, der kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass es mittlerweile mehr Kommissare als Kriminelle gibt. Da müssen sich die Ermittler im Staats-dienst schon etwas ganz Besonderes einfallen lassen, um auf ihrer Jagd nach dem Bösen unverwechselbare Spu-ren zu hinterlassen. Der brasilianische Autor Luiz Alfredo Garcia-Roza stattet seinen Kommissar Espinosa mit einer sehr überzeugenden Eigenschaft aus: Normalität. Seine präzise Beobachtungsgabe resultiert gewiss aus dem Umstand, dass Garcia-Roza mehr als dreißig Jahre Theorie der Psychoanalyse lehrte und philosophische und psychologische Fachbücher schrieb, bevor er sich dem Krimigenre zuwandte. Er verzichtet auf Samba-Exotik und Favela-Tristesse, was den Schauplatz Rio de Janeiro auf den ersten Blick austauschbar macht mit jeder anderen Metropole, ihr aber dadurch – wie auch dem Kommissar – eine Normalität und Selbstverständ-lichkeit verleiht, die sich jeder romantisierenden oder politisch ambitionierten Verklärung entziehen. Der Leser stellt erstaunt fest, dass der Angestelltenalltag am anderen Ende der Welt doch gar nicht so verschieden ist vom eigenen, sieht man einmal vom abendlichen Strandspaziergang an der Copacabana ab. Zudem bricht Garcia-Roza mit alt bekannten Krimimustern. So wartet der Leser vergeblich auf die ansonsten obligatorischen Mas-senmorde auf den ersten Seiten. Manchmal fragt man sich regelrecht, wann hier eigentlich der Krimi beginnt, was jedoch nie auf Kosten der erzählerischen Spannung geht.

Das liegt nicht zuletzt an Kommissar Espinosa, der belesen, aber nicht altklug; eigenwillig, aber nicht skurril daherkommt. Ein Außenseiter, der sich als zuverlässiger und besonnener Kollege erweist; der sensibel, aber nicht sentimental ist und dessen menschlichen Schwächen seine männlichen Stärken sind. Gerade weil er nicht die Attribute eines klassischen Frauenhelden aufweist, erliegt ihm (fast) jede – spätestens beim Anblick seiner chaotischen Bibliothek, die er zumindest in Gedanken schon tausendmal geordnet hat.

Und so sind seine Ermittlungsmethoden in „Das Schweigen des Regens“ auch nur auf dem ersten Blick planlos. Ein Manager wird tot aufgefunden. Alles deutet auf Selbstmord, aber die Tatwaffe ist nicht auffindbar. Plötzlich verschwindet auch die Sekretärin des Toten, der eine hohe Lebensversicherung abgeschlossen hat und dessen Witwe für Espinosa mehr als nur eine interessante Zeugin ist. Das fulminante Finale wird schließlich mit den berüchtigten „Waffen einer Frau“ geschlagen.

In „Südwestwind“ bittet ein junger Mann Espinosa einen Mord aufklären zu helfen, der noch gar nicht gesche-hen ist, den er jedoch selbst begehen wird. Aus dieser „Ankündigung eines Todes“ entwickelt Garcia-Roza eine eindringliche Mutter-Sohn-Geschichte. Es sind die Charaktere hinter dem Fall, denen er und sein Kommissar aus diskreter Distanz nachspüren und die sich jeder eindeutigen Kategorisierung von Gut und Böse verweigern.

Drei Kriminalromane von Garcia-Roza sind in deutscher Übersetzung im Berliner Taschenbuch Verlag erschie-nen. Wir hoffen auf mehr.

Das Schweigen des Regens
Luiz Alfredo Garcia-Roza

Berliner TB 2003
ISBN 3-8333-0047-7


Südwestwind
Luiz Alfredo Garcia-Roza

Berliner TB 2004
ISBN 3-8333-0101-5


Die Tote von Ipanema
Luiz Alfredo Garcia-Roza

Berliner TB 2003
ISBN 3-4427-6166-2

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