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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Mannigfaltigkeit und kulturelle Identität

Jorge Sanjinés | | Artikel drucken
Lesedauer: 13 Minuten

In jenen unheilvollen Tagen als Rom fiel oder als Berlin fiel, bombardiert und in Flammen, betrachteten diese Völker ihre Zukunft vielleicht ebenso wie wir sie heute betrachten – verwirrt und mit Angst. In den Ländern, die vom Imperium bestochen und dominiert werden, angesichts jener Moderne, erheben wir den Blick mit Vorbehalt, um diese Ungewisse Zukunft auszuspähen, die sich abzeichnet – ohne eigene Identität oder mit einer fremden Identität – uniformiert, standardisiert (…)

Wir erhalten ein Angebot ähnlich dem, das Dr. Faust vom Teufel bekam: unsere (Volks)seele im Tausch für die Moderne und ihre technisierte Schönheit, ihre Respektlosigkeit. Man sagt uns nicht: „Seid Ihr selbst und nutzt die Moderne.“ Der Druck ist gewaltig: Modern sein nach ihrer Laune, ihrem Stil, nach ihren Regeln und Bedingungen (…) immer zu unserem Nachteil. Es ist eine Tatsache, dass die kulturelle „Aufweichung“ den Widerstand durchlöchert. Die Kinder von heute verkleiden sich ganz selbstverständlich als Mickey. Disneyland wird eine Filiale in La Paz eröffnen und allen erscheint das interessant. Diese grotesken Witzfiguren schmücken Autos, stören die Aufmerksamkeit des Volkes und halten Einzug in die Große Macht. (…) Und sie verzerren sich in der Leere ihres Lebensmodells. Sie sind die charakteristischsten Botschafter der Faszination des Imperiums, welches auch weniger harmlose Hilfsmittel und Mittel nutzt.

Denken wir nur an die Monster der Sesamstraße oder an die neuen Personen der Gewaltfiguren, welche die Seelen unserer Kinder bevölkern und sie mit dem Töten vertraut machen. Es ist beeindruckend festzustellen, auf welch umfassende Art und Weise die Werbe- und Promotionsmaschinerie der USA das Leben der Menschen beeinflusst, die in ihrem Einflussbereich leben -der – zumindest für sie – der Mittelpunkt der Welt ist.

Armand Mattelart stellte diese Auswirkungen am Beginn der 70er Jahre dar, und in jener Zeit schien das übertrieben zu sein. Die neuen Generationen sind äußerst verwirrt, krank. Unbemerkt werden unsere Kinder und Jugendlichen entfremdet, entfernen sie sich psychisch von diesem Land, und bald werden sie es auch physisch tun. Der Wunsch woanders geboren worden zu sein, der früher ein nostalgischer Akt anderer Generationen einer bestimmten sozialen Schicht war, macht heute auf schändliche Weise von sich reden.

Wir können die hegemoniale Kultur mit Interesse, in vielen Aspekten auch mit Bewunderung betrachten und vielleicht mit dem nötigen Wissen, um das zu übernehmen, was uns nützlich ist, das, was uns überzeugt. (Wenn wir an einem Punkt des kollektiven Bewusstseins wüssten, wer wir sind, dann hätten wir den Stolz zu „sein“.) Diese Aufgabe wird jeden Tag schwieriger, nicht nur, weil wir verwirrt sind, von uns selbst beschämt, sondern weil die kulturelle Aggression immer stärker wird und weil der äußere politische Druck jeden Tag gieriger und unersättlicher ist, ungerechter gegenüber unserem Schicksal.

Es ist schwer, ohne Furcht an die Zukunft Boliviens zu denken. (…) Heute sehen wir uns einem Druck ausgesetzt, eingeschränkt in unseren Souveränitätsrechten, gedemütigt selbst in unseren sportlichen Rechten. (…) Wir sehen uns bedroht, falls wir autonome ökonomische Methoden wählen, die dem Imperium nicht zusagen. Jede politisch-ökonomische Initiative – selbst im lateinamerikanischen Konzert – wird begrenzt, vorbestimmt, kontrolliert. (…)

Ich denke, dass die Unfähigkeit, rechtzeitig eine starke lateinamerikanische Einheit zu schaffen, uns eine Menge kostet. Aber vielleicht besteht die größte Schuld darin, nicht an unsere eigenen Möglichkeiten zu glauben, so wie Paraguay im vergangenen Jahrhundert, das Paraguay von Gaspar Rodríguez de Francia und der Solano López. Dieses Paraguay, obwohl es vom damaligen Imperium – den Engländern – zerstört worden war, konnte sich ohne dieses und den berühmten freien Markt entwickeln und wurde das entwickeltste Land Südamerikas in dieser Epoche. Könnte heute Kuba etwas Ähnliches sein, wenn es nicht der erbarmungslosen ökonomischen Blockade unterworfen wäre? Ist es nicht das Vertrauen in sich selbst, welches Kuba die Kraft gibt, NEIN zu sagen? (…)

Viele Menschen in Bolivien sorgen sich nicht so sehr um die Zukunft; es ist die Gegenwart, die sie bedrückt. Sie teilen sich dieses Land widerwillig mit der Masse der Dunkelhäutigen, die sie verabscheuen und fürchten. Eine junge Studentin der Katholischen Universität musste mit zwei Brüdern und zwei Vettern im Kino Roby erscheinen. Man hatte von der Ärmsten eine Arbeit über einen nationalen Film verlangt, den sie nicht sehen konnte, da er im Zentrum gezeigt wurde. Welch ein Schreck! Aber dort kennt sie niemanden. Es sind Bolivianer aus einem anderen Land, die diese Straßen durchstreifen und in diesen verwahrlosten Sälen erscheinen. Ich kenne nicht eine komplette soziologische Studie über das Problem des Rassismus in Bolivien! Es scheint so, dass unsere Gesellschaft sich gegenüber diesem gewaltigen Problem wie der Vogel Strauß verhält. Sie will es nicht sehen und nicht anerkennen. (…)

Vor kurzem wollte man in der Stadt La Paz eine Abgeordnete der Polleras nicht in einem 5-Sterne-Hotel wohnen lassen, weil man die ^Sprache, die sie sprach, nicht verstand. (…)

Ein Abgeordneter, der einen akademischen Grad an der Sorbonne erworben hatte und der das Pech hatte, als Aymara in diesem Land geboren worden zu sein, wurde trotz seiner Brillanz solange degradiert, bis er in der Pförtnerloge des Instituts landetet, in dem er auf einem hohen Posten begonnen hatte. Er tötete seine Familie und beging Selbstmord, weil er die Geduld verlor.

Der Rassismus, einmal abgesehen von den herabsetzenden und schmerzlichen Konsequenzen für die Menschen, die in unserer Gesellschaft unter ihm zu leiden haben, konditioniert auch die Art und Weise, dieses Land zu lieben. Er stört bei vielen die Identifikation, was stark dazu beiträgt, andere Völker zu bewerten und sich selbst mit Misstrauen, Diskriminierung und Verachtung zu sehen.

Die Berliner Mauer ist gefallen, und mit ihr fiel etwas noch viel Bedeutenderes als die Chinesische Mauer – die „Moral der Pflicht“. Dieser Fall hat auch die bolivianische Realität komplizierter gemacht. Finstere Linke haben sich der „schmerzlosen Moral“ angeschlossen, von welcher der Philosoph Gilles Lipovestky spricht, und haben dann die Ideale durch den Pragmatismus ersetzt. Diese seltsame Moral erlöst allein das Individuum. Es wird getragen von jenem „Apres moi, le déluge!“ (Nach mir die Sintflut!). Ich mache immer dann etwas Gutes, wenn eine Handlung für mich nützlich ist, weil untergeht, wer untergehen muss. Das nennt der französische Philosoph „verantwortungsbewussten Individualismus“. „Piso y paso“ oder „wichtig ist anzukommen“. Doch wer zahlt die Rechnung in diesem gebeutelten Ländchen von Indios, Indios, Indios, Cocaleros, Cocaleros, Mestizen, Mestizen und großen Tieren?

Ich denke, dass die Korruption, die uns heimsucht, und die Unzufriedenheit, hier geboren zu sein und zu leben, eine zutiefst selbstzerstörerische Haltung hervorbringen. Die Korruption erwächst in hohem Maße aus dem Fehlen an Selbstachtung bei der korrupten Person selbst, aber auch aus der Geringschätzung gegenüber der Gesellschaft. Ein Individuum, das seit vielen Jahren an der Leitung eines Verbandes beteiligt ist, bemühte sich, seine Straftaten zu rechtfertigen und sagte: „Welch Anstand! Dies ist ein Land, das die Strafe nicht achtet. Diese wird mit jedem Tag kraftloser. Nutzen wir uns doch wenigstens selbst!“

Die Korruption hat Bolivien immer Schaden zugefügt, aufgrund dieser Geringschätzung, dieser eigenartigen Abneigung gegenüber dem Land, wegen dieser Gleichgültigkeit.

Vor einigen Tagen wurde ein Interview mit einer Gruppe von Bolivianern veröffentlicht. Der Journalist fragte unvermittelt: „Wo wären Sie gern geboren worden?“ Die Antwort kam ohne Zögern: „In Griechenland!“ Und auf die Frage „Warum leben Sie dann hier?“ kam die Antwort „Weil ich hier meine Geschäfte habe!“. Dies ist ein gravierendes Problem für uns Bolivianer: Das Fehlen einer Identifikation mit dem Schicksal, der Kultur, der Politik Boliviens. Viele sind in Bolivien, weil sie hier ihre Interessen haben und Schluss, nicht weil sie dieses Land lieben. Mit einer solchen Haltung ist es einfach, die nationalen Interessen zu verraten, weil es nur noch um die eigenen Interessen geht. Das ist nicht mehr das wirkliche Land, das wir haben, und oft wollen wir das nicht anerkennen, wollen wir das nicht akzeptieren. Vielleicht sind wir deshalb nicht bereit, uns mit unserem eigenen Spiegelbild zu konfrontieren, mit unserem eigenen Gesicht, weil uns das Gespenst von Dorian Gray schreckt. Zweifellos gibt es Menschen mit einer großen Liebe zu diesem Land. Menschen aus unterschiedlichen sozialen Klassen, auch mit verschiedenen Ideologien – es ist wichtig, das anzuerkennen – lieben Bolivien. Menschen, die alles für dieses Land getan haben. Das passiert und passierte mit Ausländern, die bleiben, um hier zu leben, und mit Bolivianern, die zurückkehren. Ich freue mich über die Ehrung für Don Joaquín Aguirre Lavayén durch die Stiftung „Mario Mercado Vaca Guzmán“. Hoffentlich vervielfältigt sich dieser Zauber Boliviens. Wir müssen diese Liebe schnell verallgemeinern. Diese Verliebtheit muss nicht allein ein Gefühlsimpuls und das Produkt der Sehnsucht nach Fähigkeiten menschlicher Wesen sein, sie könnte das Wissen von der grundlegendsten und verschwenderischsten Kraft dieser Erde hervorbringen – der VERSCHIEDENARTIGKEIT. Das beginnt mit dem Staunen angesichts der Schönheit, angesichts der sich schnell enthüllenden Weisheit.

Die kulturelle Mannigfaltigkeit umfasst die Vitalität des Austauschs von Wissen: Wir übernehmen in unsere Lebensweise das, was andere Kulturen entdeckten, nachdem sie es vielleicht Tausende von Jahren erprobten, und wir offerieren das, was wir ererbten. So wie man sich hier einig ist über die Nutzung der vertikalen Kontrolle der unterschiedlichen ökologischen Böden, wie sie die Andenbewohner mit bemerkenswerter Effizienz praktizierten, nutzen wir dort die großartigen suka kollos als Schutz vor dem Frost. Aus der Vergangenheit kennen wir alte, aber wirksame Technologien, die heute gestützt werden durch wissenschaftliche Studien, die sie in Erstaunen versetzt haben. Sie werden zu den neuen Technologien gezählt, die uns in großem Maße helfen, mehr zu produzieren und die natürliche Umwelt besser zu schützen.

Doch Vorsicht, KULTURELLE IDENTITÄT fängt an, etwas Subversives, Verdächtiges zu werden. Es gibt Leute, die die Hand zum Gürtel führen, so wie Goebbels, wenn sie „kulturelle Identität“ hören. Das ist etwas, das den schönen Überlegungen vom uniformen Konsum widerspricht. Alle zu MacDonalds! Wozu die Zeit verschwenden, um chairos zu machen und das übrige Zeug. In Paris wie in Tupiza, alle zu MacDonalds! – darüber klagt Alain Touraine, dieser brillante französische Denker, wenn er sagt: „Wir alle sind der Exzesse der Rationalisierung müde, der Reduktion des Planeten auf einen Markt. Wir sind der Erfolge der Finanziers überdrüssig, der Diktatoren (…) Wir müssen unsere Kulturen wiederfinden, unsere Bilder wiederbeleben, sie anderen gegenüberstellen…“, um wirklich modern zu sein, sagt er dann. Und er findet, dass Frankreich, diese große Nation, paralysiert ist, weil seine kulturelle Komplexität gestört und verfremdet wurde. Vielleicht ist es ja schon eine müde Nation. Die Furcht vor der nationalen Identität, welche die Schaffung einer „homogenen Kultur“ erschwert, beruht jedoch nicht ausschließlich auf der fremden Hegemonialmacht. Sie wird – sogar in gutem Glauben – von einer Reihe unserer llajtas masis unterstützt, die die andine Welt mit tief verwurzeltem Misstrauen und Ignoranz betrachten. Möglicherweise verstehen sie nicht, dass man ein kraftvolles Ganzes durch die Vereinigung der Mannigfaltigkeit schaffen kann. Sie haben die Andenregion als wirtschaftliche Potenz bereits aufgegeben, gerade weil diese mit ziemlicher Halsstarrigkeit auf ihren Traditionen beharrt. Diese Idee des Wiedergewinnens, Entwickelns, der Aufnahme und Integration des Erbes an Wissen der Vergangenheit könnte als romantisch erscheinen. Doch eigentlich würde es m.E. sehr tragische Folgen haben, wenn wir das nicht machten. Jede Ignoranz ist auf die Dauer tragisch.

Kann in Zweifel gezogen werden, dass die Besiedlung der schönen Cruceño-Gebiete durch die Indianer aus Oruro, Potosí, Paco, Cochala im Zusammenhang mit dem Aufschwung der Cruceño-Ökonomie gesehen werden muss? (…) Diese unterschiedlichen Menschen fanden dort die Möglichkeiten, die die Verlassenheit und die Armut ihrer Heimatregionen nicht boten. Es fehlt, oder ich kenne sie nicht, diese soziologische Untersuchung, die diesen verschwenderischen Austausch bewertet, auch beunruhigend, es ist notwendig daran zu erinnern, wegen der Schwierigkeiten, die die Rassendiskriminierung hervorbringt.

Wenn die „Callahuayos“ in unserem Land die Kraft von l .000 oder 2.000 medizinischen Pflanzen kennen, sollten unsere bolivianischen Kinder wenigstens 100 kennen. Sie sollten die Gewohnheiten der Tiere ihrer Region studieren, um – kohärent – Menschen dieses Ortes von Heilern, dieses Landes von Medizinern zu sein, dieses Kollasuyu. Und natürlich müssen sie lernen, einen Computer zu bedienen und begreifen, was virtuelle Realität ist…!

Hätte man beim Eintritt Boliviens in das demokratische Leben die Vorstellungen einbezogen, die die Aymaras über die politische Macht entwickelten, dann sähe die Geschichte Boliviens anders aus. Dieses Volk erkannte sehr gut, dass die Anhäufung der Macht, dem Glück einer Gesellschaft nicht dienen kann. Die Aymaras hatten festgestellt, dass die konzentrierte Macht isoliert und korrumpieren kann, und deshalb schufen sie eine erneuerbare, geteilte Macht, die vom Jilacata ausgeübt wurde, dem zeitweiligen Anführer, der nur ein Repräsentant der Macht war. Die lebenswichtigen Entscheidungen gingen von der Versammlung aus. Unser parlamentarisches System könnte theoretisch ebenso funktionieren, doch in der heutigen Gesellschaft konzentriert sich die Macht an der Spitze, und deren Entscheidungen werden ausgeführt. Das ist stets so gewesen, in kapitalistischen und in sozialistischen Systemen. In der Aymara-Gesellschaft machte der Chef Vorschläge und die anderen entschieden. Eine Machthäufung gab es nicht, Macht war nicht auf eine Stelle beschränkt. In vielen Zonen des Altiplanos funktioniert das noch heute so. Die kommunalen Kerne haben sich entflechtet; es wurde eine politisch-territoriale Diskontinuität geschaffen, um die politische Macht zu entflechten und die Gewalt und den Krieg zu verhindern. (…)

Die Leute sind es gewöhnt, an politischen Entscheidungen teilzuhaben. Die Kontrolle über ihre Repräsentanten ist total und die Teilnahme permanent.

Wegen dieser Tradition war -in seiner historischen Stunde – die Central Obrera Boliviana (COB -Bolivianische Arbeiterzentrale) eine so wichtige Instanz und einzigartig in der Welt. Die Bauern aus der Gegend nördlich von Potosí, die Bergleute geworden waren, kamen zur Gewerkschaft, um mitzureden und die Leitung zu kontrollieren, wie sie es in der Gemeinde machten. Sie übertrugen ihr Konzept und ihre Praxis der Machtausübung auf die Bergarbeitergewerkschaft, und von dort auf die COB, welche heute noch nur mehrheitlich entscheidet.

Da die Aymaras die Zeit als ein kreisförmiges, zyklisches und nicht-lineares Phänomen betrachten, demonstrieren sie eine eigene Art und Weise, die unterschiedliche Realität zusammenzusetzen. Das drückt in hohem Maße ihre kulturelle Eigenart aus, welche uns herausfordert und bereichert. Octavio Paz machte eine Anmerkung über die nicht-lineare Zeit, die ich außergewöhnlich finde: „Es gibt eine Behauptung des Marxismus, die meines Erachtens nach wie vor richtig ist: Die kapitalistische Gesellschaft ist konstitutionell eine kranke Gesellschaft. Doch meine ich“, – sagt Octavio Paz – „dass die Krankheit sowohl die kapitalistische als auch die sozialistische Gesellschaft befallen hat. Die gegenwärtige Krise ist eine Krise der Vorstellung von der Zeit als einer linearen Abfolge und unendlichen Fortschritts.“ Man könnte lange über die Bedeutung der Auffassung von der zirkulären Zeit bei den Aymaras nachdenken, mir genügt es festzustellen, dass sie beeindruckend modern und tiefgründig ist. Sie stimmt mit den neuen Theorien über das Universum in größerem Maße überein als die linearen Vorstellungen über der Zeit in der hellenistischen, jüdischen und christlichen Tradition. Sich in der Zukunft nach hinten einzuordnen und nicht nach vorn, ist eine Revolution im Denken. Die Dinge und das Leben sind natürlich, sie kehren zurück, sie kehren immer wieder zurück, und der Tod kann der Beginn der Lebens sein. (…)

Die Kultur wird für das Volk sein, was die Seele für den einzelnen Menschen ist. Man kann seinen Körper verlieren, aber seine Seele kann man nicht verlieren. Möglicherweise ist das Schweigen das, was nach dem Tode kommt, doch das Gedächtnis bleibt. Und mit der Erinnerung, die die Mythen hervorbringt, die das Fabulieren übernimmt, kehren die Völker erneuert zum Sein zurück. Die Individuen überleben in dem, was sie schufen, in dem, was sie hinterließen. Dieses Gedächtnis, das die Seele unserer Vorfahren ist, die Identität, vermag auch unsere neuen Schöpfungen zu stützen, unsere bevorstehenden Abenteuer im unergründlichen Universum der neuen Erkenntnisse. (stark gekürzt)

Aus d. Span.: Gabi Töpferwein

Entnommen aus: El Tonto del Pueblo I, La Paz

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