Das Vaterland ist der Geschmack der Dinge, die wir in der Kindheit aßen, sagte Cardoza y Aragon, den der Krieg, die Missgunst und die Diktatur von seinem Vaterland fortrissen, ihm den Segen raubten, es zu bewandern und uns den Segen seines Exils in unserer Mitte schenkten.
Ich entsinne mich gerade der Weisheit seines Satzes, um mich an ihr festzuhalten und mich zu vergewissern, dass die Heimat all die Dinge sind, die uns unsere Erinnerung und unsere Sehnsüchte zurückbringen können. Das Vaterland ist nicht nur das Gebiet, um das die Politiker sich streiten, das die Räuber überfallen, das die Reden und Erklärungen für sich vereinnahmen wollen. Es ist nicht nur ein Name, den diejenigen, die die Zeitungen mit Schande und Schrecken füllen, geringschätzig aussprechen. Das Vaterland sind viele andere Dinge, weniger große, weniger vergängliche, weniger öffentliche als der Bundeshaushalt oder die kärgliche, aber kriegerische Demokratie. (…)
Ich gehe um den oberen See von Chapultepec, der unter einem klaren Himmel erwacht. Ich weiß, denn es stand in der Zeitung, die ich beim Hinausgehen mitnahm, dass Ozon in der Luft ist. Ich atme es. Es scheint gesunde Luft zu sein. Wir atmen sie gierig, all die Läufer und Rollschuhfahrer, Fahrradfahrer, Fußgänger, Hunde, die wir den Morgen am See ersehnten: Die Heimat ist die klare Ozonluft, die jeden Morgen unser eifriges Wandeln um eine Lagune begleitet, in der viele geruhsame Enten schwimmen, tausende Fische friedlich leben und wir, Hunderte von Gesundheitsfanatikern, uns Guten Morgen wünschen.
Mein Großvater war Zahnarzt, und er pflanzte Melonen in der Nähe von Atlixco. Lange Reihen grüner Blätter, die große Kugeln in den Schlaf wiegten. Ein süßer, staubiger Geruch in meinem Gesicht. Meine Heimat duftet in meinen Erinnerungen nach diesem Feld.
Wir fuhren im Auto nach Quintana Roo. Die Farben der Erde veränderten sich mit uns. Auf dem Rückweg am Meer entlang nahmen wir eine Straße, perfekt asphaltiert vom Staate Quintana Roo, die uns zu einer anderen Straße brachte, perfekt asphaltiert vom Staate Campeche; zwischen den beiden gab es ein Stück voller Schlaglöcher und Steine, die niemand asphaltiert hatte. Die drei waren das Vaterland.
Ich steuere gegen den wütenden Verkehr von acht Uhr früh. In meinem Rücken höre ich die Stimme meiner Tochter Catalina, die sagt: Du bist schon groß, Kleiner. Bist schnell gewachsen. Jetzt bist du nicht mehr der, den ich mit einer Hand trug, den ich fütterte. Jetzt bist du schon ein anderer Hund, und ich habe gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergeht. Ich habe auch nicht die Zeit bemerkt, die an ihrer Brust die Vorzeichen einer frühreifen Jugend sprießen lässt, aber die Heimat war dort die ganze Zeit.
Der Herr des Hauses kommt von einer Reise zurück. Er war weit weg für fast drei Wochen. Trotzdem bringt er das Vaterland mit.
Ich komme vom Arzt in Lolas Auto. Seine Reifen quietschen beim Bremsen. Wir parken es in der Straße, die General Gelati gewidmet ist. Hinter uns erhebt sich ein immenser Mond, durch die Wolken verschleiert. In den nächsten anderthalb Stunden unterhalten wir uns ohne Ordnung und Sitte, während sich unsere Kinder anrufen, weil sie denken, dass wir im Schlund des Gynäkologen verschwunden sind. Die Heimat, skrupellos, diente uns als Vorwand und Tischgenosse.
Wir spazieren im Mexiko-Park. Dort, wo sie gestern vor den Augen meiner Nachbarin Maria Pía einen Mann erstachen. Mateo möchte den Grund dieser Grausamkeit erfahren. Er gewöhnt sich daran zu fragen, so wie ich mich daran gewöhnen werde, die Antworten zu haben. Wer weiß, wie viele Monate ihm für diese Gewohnheit bleiben. Ich kann versichern, dass ich dort eine Heimat habe.
Die Anthropologin Guzmán kündigte an, dass sie Puebla in einem ADO-Bus verlassen würde. Versicherte, dass sie um drei Uhr ankäme. Als es fünf wird, ohne dass sie erschienen ist, frage ich mich, welche Art ADO das wohl gewesen sein wird, ob er vielleicht am Krater des Popocatépetl hängen geblieben ist, ob ein Strom von Lava seinen Weg ausgelöscht hat, ob es einen jener Crashs gab, die kilometerlange Schlangen von Autos knüpfen. Ich bin an dem Punkt, das Schlimmste zu befürchten, als sie ihre Füße, mit ihrer ruhigen Eleganz setzend, erscheint. Mein Sinn für Zeit teilt das Vaterland mit ihrem.
Ich war 23 Jahre alt, als ich Emma Rizo kennenlernte, eine hustende Zigeunerin, deren größte Weisheit immer in der unbesiegten Kraft gelegen hat, mit der sie lächelt. Unversöhnliche Leserin, hört sie endlos zu, sündhaft bei den Spielen, die uns der Zufall schenkt, fleißig wie das Wasser, gut wie das Brot bis in die letzte Windung ihres Charakters. Ich hatte das Glück, mit ihrem harten, kühnen, Lachen alt zu werden. Mein Vaterland ist verknotet mit dem Klang ihres Lachens.
Übersetzung: Anka Schmoll