Quetzal Vogel
News Icon
Quetzal

Politik und Kultur in Lateinamerika

Template: single_noticias
Noticia

Uruguay: Der Sohn ist’s, nicht der Vater

Redaktion | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Noticias_Uruguay_LacallePou_Bild_CC_wikiHatte der Vater, Luis Alberto Lacalle Herrera, seine Präsidentenzeit bereits in der erste Hälfte der 1990er Jahre absolviert, ist es nun, seit dem 1. März 2020, der Sohn, Luis Alberto Lacalle Pou, der den entsprechenden Sessel im Torre Ejecutiva in Montevideo besetzt. Nach 20 Jahren als Abgeordneter und Senator hat nun auch er es geschafft: Er ist ganz oben. Er vertritt dabei die Partido Nacional (PN), die sich – konservativ – über 180 Jahre gut gehalten hat. Bekannt geworden ist sie als Partido Blanco. Der Sohn löste zwar im Präsidentenamt Tabaré Vásquez von der Frente Amplio ab, aber eben auch seinen Vater, dies insofern, als jener der letzte Präsident des Landes unter der Fahne der PN war. Zur Inauguration fuhr Lacalle Pou in dem Automobil vor, mit dem auch der Vater schon zu seiner eigenen Präsidentenweihe gefahren war: einem Ford V8 von 1937. Traditionsbewusstsein kennt eben keine Grenzen! Um das Familienbildnis zu vervollständigen: Mit dem älteren Sohn des jetzigen Präsidenten gibt es ein weiteres Familienmitglied, das Luis Alberto Lacalle heißt; der jüngere Sohn trägt den Vornamen des Begründers der PN Manuel Oribe. Des Präsidenten Mutter wiederum verdingte sich einst als Senatorin, und als sie sich zurückzog, nahm dann eben der Sohn, zuvor ihr Stellvertreter, mit 26 Jahren ihren Abgeordnetenplatz ein. Ihr Großvater und sein Urgroßvater mütterlicherseits galt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als einer der caudillos der PN. Der Ford V8 von 1937 war ursprünglich sein Eigentum gewesen. Konnten Sie folgen? Als Lacalle Pou, als Kind auf einer Kiste stehend und wild gestikulierend, diesen seinen Urgroßvater in einer Rede imitierte, begann wohl seine politische Karriere. Anderenfalls wäre er vielleicht eine Art Jacques Costeau, Meeresbiologe und Seefahrer, geworden. Ein Surfer ist er trotzdem noch, na ja und eben Präsident. War die uruguayische Atlantikküste etwa nicht verheißungsvoll genug? Genug der „gelben“ Genealogien und Personalien! Was verheißt denn der 47jährige Surfer der uruguayischen Politik? Die Zeiten von Pepe Mujica und Tabaré Vásquez als Frente Amplio-Präsidenten sind unwiederbringlich vorbei. Die beiden Linken sind inzwischen zu alt (Mujica) oder zu krank (Vásquez), um das Ruder später noch einmal in die Hand zu nehmen. Lacalle Pou hat in der Stichwahl am 28. November 2019, wenn auch nur mit 0,8 Prozent bzw. 30.000 Stimmen mehr, das Linksbündnis Frente Amplio mit deren neuem Kandidaten Daniel Martínez besiegt, der seinerseits keinen Wahlbetrug konstatierte und dem neuen Präsidenten freundlich gratulierte. In der ersten Wahlrunde hatte Martínez noch recht weit vor Lacalle Pou gelegen. Die Frente Amplio ist noch immer stark und hat fast die Hälfte der Bevölkerung hinter sich. Lacalle Pous aus fünf Parteien bestehendes rechtes Bündnis Compromiso por el País (oder auch Coalición Multicolor) ist in sich so heterogen, ja rivalisierend, dass dieser Mühe haben wird, es zusammenzuhalten. Steht Lacalle Pou politisch eher im (rechten) Zentrum, gehört zu seinem Bündnis auch das rechtspopulistische Cabildo Abierto unter Guido Manini, einem Ex-General und früherem Oberbefehlshaber der Armee, auch als „Uruguays Bolsonaro“ benannt oder, schlimmer noch, als politischer Nachfahre der Militärdiktatur der 1970er Jahre. Die argentinische Zeitung Clarín sieht für Uruguay ökonomische Öffnung und eine harte Hand in der Sicherheitspolitik kommen. Außerdem will Lacalle sparen. Und wie wird sich nun die Nachbarschaft zum linksperonistischen Argentinien gestalten? Doch einen Trumpf hat Lacalle Pou ganz sicher in der Hinterhand: Seine Vize ist eine Frau, Beatríz Argimón, eine Feministin. Sie ist Uruguays erste Vizepräsidentin. Immerhin, selbst zu der eher maskulinen Fiesta Gaucha hat sie ihren Chef sogleich begleitet. Doch in die Zukunft gefragt, wie viele Feministinnen (!) mag es in Uruguay wohl geben, die gerade ihretwegen konservativ (!) wählen würden? (Bildquelle: CC_wiki).

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert