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Nicaragua: Der Winter des Patriarchen

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Lesedauer: 4 Minuten

Noticias_Nicaragua_Daniel_Ortega_1989_Bild_wiki_ccEs war einmal ein junger Revolutionär, der erstaunen ließ, ja Respekt abnötigte: Nicht nur, dass er im Lebens-Sommer das verhasste Somoza-Regime hinweggefegt hatte, er machte der revolutionären Welt auch noch vor, wie kollektive Führung und politischer Pluralismus gehen. Jetzt ist er 76 Jahre alt und wird einem gewissen Patriarchen immer ähnlicher – nur dass jener hunderte Jahre brauchte bis zu seinem Herbst statt vierzig. ‚Aber was schert mich mein Sommer‘, mag der jüngere Patriarch denken, ‚zumal der schon längst dem Herbst gewichen ist, ja schon wintert‘. Blöd nur, dass gerade jetzt dieses Relikt liberaler Demokratie ansteht, auch Wahl genannt! Doch kühn wie er ist, unterzieht er sich todesmutig selbst dieser Prozedur. Da schreiben wir den 7. November 2021. Welche Frage, natürlich siegt er in dieser Wahl! Und seine, nun ja, schöne Frau darf sich endlich Vizepräsidentin nennen. Sprecherin – wer will das schon ewig sein? Am Ende wird für den Patriarchen eine erkleckliche Jahres-Summe konsekutiven Regierens zusammenkommen: 20 und, bezieht man die nicht-konsekutiven ein, fast 30. Ach, wie schön wäre das doch alles, wüssten wir nicht um das eklige Ende des Patriarchen aus dem Buch. Zu schön wäre es auch, kennten wir nicht diesen dummen „kategorischen Imperativ“, der keine Wiederwahl eines Präsidenten zulässt! Soll wohl aus Mexiko stammen. Da aber im Land des Patriarchen der entsprechende Verfassungsartikel schon längst vom Obersten Gericht kassiert wurde, kam er ja gar nicht umhin, sich zum vierten Mal hintereinander zur Wahl stellen. Was kann denn der Patriarch dafür, dass seine Feinde das schlecht finden, ihm gar unterstellen, er habe sieben Gegenkandidaten hinter Gitter gebracht, darunter diese Cristiana Chamorro Barrios, Tochter der Violeta! Hatte er nicht einmal, als er noch nicht Patriarch war, einer Violeta klaglos sein Präsidentenamt übergeben? O.k., da war er noch grün hinter den Ohren! „Hurensöhne der Yanqui-Imperialisten“, „Terroristen“ oder eben „Kriminelle“ – genau das sind die richtigen Bezeichnungen für die Eingesperrten. Dass er auch noch drei Weggefährten aus seiner revolutionären Jugend namens Tellez, Tinoco und Torres wegen „Verschwörung gegen die nationale Integrität“ einsperren musste – wer will es ihm verdenken! Ein Patriarch, noch dazu im Winter, handelt eben so. Und hunderte Widersacher von der Straße weg zu töten oder ins Verlies zu verbringen – das gehört einfach zum guten Ton: Die Demonstrationen waren ja auch keine, sondern ein Putsch! Menschen von jenseits des eigenen Herrschaftsraumes als Wahlbeobachter zulassen – ja warum das denn, in der Bibel steht das doch nicht drin! „Wahlbegleiter“, die dem „Wahltourismus“ frönen, und zwar ohne über Ergebnisse zu meckern, die werden gebraucht! Und seine Getreuen vom Wahlausschuss sollten sich glücklich schätzen, seiner „triumphierenden Allianz“ eine Wahlteilnahme von 65,26% und einen Wahlerfolg von 75,87% bescheinigen zu dürfen. Dass das Ergebnis nur zustande gekommen sei, weil die Zahl der Wahlberechtigten zu gering angesetzt wurde – eine Mär, nichts sonst! Da Wahlurnen gar nicht die Sicht auf ihr Inneres gestatten dürfen, sind auch die Stichproben dieser „Urnas abiertas“ nicht ernst zu nehmen oder gar deren These, die Wahlabstinenz habe mehr als das Doppelte, mithin 81,5%, betragen. Warum dann aber dieser Shitstorm?! Von den Bidens und Borrells dieser Welt, von denen ist man das ja gewohnt, aber von Lula, Mujica, Lagos und dieser Partei im fernen Deutschland, die sich auch noch Die Linke nennt?! Links ist doch nur er, der Patriarch, o.k. vielleicht noch Maduro oder Díaz-Canel. Hat wer Zweifel? Jeder weiß doch: Selbst Oligarchie, Kirchenoberhaupt, IWF, Weltbank, ja Somozisten und contras kann man „mit links“ umarmen! Aber warum ist dann dieser Joe Biden so unzufrieden mit dem Patriarchen? Das ist es ja: Seit drei Jahren umarmt der blöderweise diese Herren nicht mehr! Dabei wäre es doch viel pfiffiger gewesen, ihnen weiterhin den linken Arm um die Schulter zu legen und gleichzeitig auf demokratischen Wahlen zu verzichten! Damit hätte man doch den Biden erst so richtig verwirren können! Unser altruistischer Patriarch aber denkt sich nur: ‚Schade, dass García Márquez nicht mehr in dieser Welt ist, sonst hätte der doch so schön auch noch von mir erzählen können!‘ (Bildquelle: wiki_cc)

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