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Kuba: Enttäuschend-nichtssagendes Interview mit Kubas Präsidenten Díaz-Canel

Redaktion | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Am 11. Mai 2024 führte der spanische Journalist Ignacio Ramonet ein etwa zweistündiges Interview mit dem Präsidenten Kubas Miguel Mario Díaz-Canel Bermúdez. Ein Gespräch unter Freunden. Ramonet ist als Direktor der Zeitung Le Monde Diplomatique sowie als Gründer und jetziger Ehrenpräsident von Attac bekannt geworden. Solcherart Interviews haben in Kuba Tradition: Legendär sind jene mit Fidel Castro von Frei Betto oder Gianni Mina. Auch ein Oliver Stone hat sich daran versucht und selbiger Ignacio Ramonet. Kubas Sympathisanten lauschten stets mit Interesse, weil sich in ihnen ja oft, versteckt in viel revolutionärem Pathos und Redundanz, die eine oder andere neue Information verbarg und Fidels Sprache weniger „gestanzt“ klang als der „Bürokraten-Sprech“ der Staatschefs anderer realsozialistischer Länder. Doch selbst wenn man lediglich diese, in heutiger Zeit ihrerseits obsoleten Maßstäbe an das neueste Interview von Ramonet anlegt, wird man maßlos enttäuscht: Man erfährt nichts Neues. Um kritischen Journalismus handelt es sich hier ohnehin nicht, vielmehr entsteht der Eindruck, dass Interviewer und Interviewter einander ständig bestätigen, ja soufflieren: Der Eine endet mit dem Satz, mit dem der Andere seinen Part beginnt. Das zweite Problem ist, dass im Interview „bloqueo“ oder „bloquear“ (Blockade/blockieren), bezogen natürlich auf den „US-Imperialismus“, nicht weniger als 62-mal (!) vorkommt. Díaz-Canel selbst bemüht diese Wörter 53-mal. Begriffe wie „sanciones“ (Sanktionen), „intoxicación“ (Vergiftung), „guerra no convencional“ (nicht-konventioneller Krieg) sind da noch nicht mitgezählt. Natürlich ist die Blockade Kubas durch die USA ein politisch und ökonomisch unstrittiger struktureller Faktor, aber anders als Díaz-Canel behauptet, schließt sie zum einen nicht alle Güter ein. Zum anderen, damit alles, jedes Problem, erklären zu wollen, ist hanebüchen, allein schon weil Monokausalität bei gesellschaftlichen Phänomenen nie erklärungsmächtig ist. Vor allem aber ergibt sich daraus ja logisch (und so auch im Text), eigene Fehler würden nie und nirgends begangen. Hm. Und das angesichts einer nunmehr hochproblematischen sozioökonomischen Situation und massiver Proteste! Gerade warum die Probleme in Kuba, einem Desaster gleich, seit 2019 abrupt zugenommen haben statt doch, wie ja die Blockade, konstant zu sein, erschließt sich so nicht. Denn inzwischen werden selbst elementare Lebensbedürfnisse wie Strom, Grundnahrungsmittel und medizinische Versorgung nicht mehr erfüllt, und der Zuckerexport ist komplett eingebrochen. Dies nun liege laut Díaz-Canel daran, dass sich die Blockade … eben noch verschärft habe. Hm. Deshalb seien auch die Remittances so stark reduziert. Einen zwischenzeitlichen Überweisungsstopp von Western Union hat es auch gegeben, dass aber der Präsident dies beklagt, wo doch deren Sender in die USA geflohene „Verräter der Revolution“ sind …. Hm. Das dritte Problem ist die Verkennung der Unterschiede zwischen den US-Administrationen: Ob Obama, dies trotz dessen Lockerungen 2014, Trump oder Biden – die seien doch alle gleich. Auch den Verweis auf die Löschung Kubas von der Liste der den Terrorismus unterstützenden Staaten unter Biden sucht man im Interview vergeblich. Zum vierten Problem geraten Selbstschutzbehauptungen, ja Unwahrheiten: Auf die sozialen Proteste vom 11. Juli 2021 und 17./18. März 2024 u.a. in Santiago und Havanna, in denen nicht nur das Ende der Stromabschaltungen gefordert wurde, sondern auch der Ruf nach Freiheit erklang, sogar Hunger angemeldet wurde, habe es „keinerlei repressive Antwort“ gegeben, ja nicht einmal, so der Präsident im Brustton der Überzeugung, gegenüber denen, die sich gegen die Revolution gewandt haben. Das ist schlicht unwahr. Es hat viele solcher Fälle gegeben, auch mit physischer Gewalt, von vieljährigen Haftstrafen ganz zu schweigen. Als fünftes Problem schließt sich der allbekannte populistische „Whataboutism“ an: Warum denn die Ausschreitungen der Polizei gegen Afroamerikaner in den USA dabei nie erwähnt würden? Faktologisch ist diese Frage berechtigt, legitimiert aber nicht die Repression im eigenen Land. Als sechstes Problem wird die angekündigte inhaltliche Reihenfolge des Interviews nicht durchgehalten, sondern ständig durch das Thema „Covid 19“ gebrochen, anscheinend Díaz-Canels Lieblingsnarrativ, das ihn gar zur Behauptung verleitet, im Süden sei es allein Kuba gewesen, das einen Impfstoff entwickelt habe. Nun ja, was sind da schon Indien, Argentinien, Iran und Indonesien? (Bild: Quetzal-Redaktion, pg)

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