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Politik und Kultur in Lateinamerika

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The (Latin) American Dream

Christine Schnichels | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten

Wer ist Nicolás Maduro, der designierte Nachfolger des Comandante?

Venezuela: Chávez-Nachfolger Nicolás Maduro - Foto: Ministerio del Poder Popular para la Comunicación y la Información VenezuelaNachdem Hugo Chávez am 5. März dieses Jahres nach langem Kampf gegen den Krebs gestorben war, wurde sein Stellvertreter Nicolás Maduro Moros, der bereits seit dem 10. Januar das Land de facto regiert, zum offiziellen Interimspräsidenten Venezuelas ernannt. Schon vor seinem Ableben hatte Chávez ihn ausdrücklich als seinen Nachfolger bestimmt, damit keine Machtkämpfe um die Präsidentschaftskandidatur entstehen konnten. Da Chávez die Macht in seiner Persönlichkeit konzentrierte, ja gar einen Personenkult um sich geschaffen hatte, entstand mit seinem Tod eine immense Lücke. Diese zu füllen wird für den auserkorenen Nachfolger nicht leicht werden, das war – und ist – allen Beteiligten klar. Aber wer ist dieser Nicolás Maduro, der nun die Chavistas vereint in die Präsidentschaftswahlen führen soll und der gute Chancen besitzt, diese am kommenden Sonntag zu gewinnen? Welche Qualitäten sah Chávez in ihm?

Im Gegensatz zum Comandante Chávez, der schon in seiner Jugend Werke von Marx, Lenin und Gramsci las und es im Militär weit gebracht hatte, besitzt Maduro – abgesehen von der Sekundarstufe – keine formelle Bildung. Er arbeitete als Metro-Fahrer in Caracas. Ende der 1970er Jahre tat er sich jedoch als Schülerführer und in den 1990er Jahren als Gewerkschaftler hervor. Zuletzt war er sogar Präsident der Gewerkschaft des Metrounternehmens der Hauptstadt.

Seine Freundschaft mit Chávez begann Anfang der 1990er, als Maduro sich aktiv an dessen Freilassung aus dem Gefängnis nach dem missglückten Putschversuch einsetzte. Auch er war aktives Mitglied in der Bolivarischen Revolutionsbewegung (Movimiento Bolivariano Revolucionario-200, MBR-200), eine frühere Organisationsform der Chavista-Bewegung. Schließlich gehörte er wie Chávez 1997 zu den Gründungsmitgliedern der Partei Bewegung für eine Fünfte Republik (Movimiento V República, MVR). Als deren Kandidat wurde er 2000 zum Abgeordneten gewählt, nachdem er 1999 an der Verfassungsgebenden Versammlung teilgenommen hatte. Ab 2000 bekleidete er für ein Jahr das Amt des Fraktionsvorsitzenden und wurde kurz darauf Vorsitzender der Nationalversammlung. Nachdem Chávez 2006 für eine dritte Wahlperiode als Präsident gewählt worden war, berief er Maduro als Minister ins Außenministerium. Sein Aufstieg unter Chávez setzte sich fort. Sein Mentor ernannte ihn nach dessen vierten und letzten Wahlsieg 2012 zum Vizepräsidenten. Mit dem Tod von Hugo Chávez übernahm er somit das Amt des Interimspräsidenten. Zugleich fungiert er nun als Präsidentschaftskandidat der Vereinigten Sozialistischen Partei (Partido Socialista Unido, PSUV), in der seit 2006 die an der Bolivarianischen Revolution beteiligten Linksparteien zusammenführt sind.

Maduros Ehefrau, Cilia Flores, ist ebenso wie ihr Ehemann eng an den Chavismo gebunden. Flores gehörte zu den Anwälten, die Chávez 1994 aus dem Gefängnis holten. Zu dieser Zeit lernte sie Maduro kennen. Bereits 1993 schloss sie sich dem MBR-200 an und war von 2000 bis 2006 zunächst Abgeordnete und ab 2006 dann die Präsidentin der Nationalversammlung. Nach dem Tod des Generalstaatsanwalts im selben Jahr wurde ihr per Dekret von Chávez dieses Amt übertragen. Auf diese Weise konzentriert das Ehepaar eine ungemeine Macht innerhalb der chavistischen Hierarchie.

Maduros Lebenslauf zeugt zweifelsohne von Loyalität gegenüber dem Comandante und der Bolivarianischen Revolution. So verliert Maduro kein einziges schlechtes Wort über Chávez. Vielmehr nutzt er den Personenkult um den verstorbenen Präsidenten für sich und lässt keine Möglichkeit aus, die Bevölkerung an die Taten von Hugo Chávez zu erinnern. Oppositionelle Neider zählten daraufhin, wie oft Maduro am Tag Chávez erwähnt. So stellten sie fest, dass er sich innerhalb eines Monats mehr als sechs Tausend Mal auf Chávez bezog! Auch ideologisch bleibt er der Linie des Comandante treu und  kritisiert vehement den Neo-Imperialismus der USA.

Venezuela: Chávez-Nachfolger Nicolás Maduro - Foto: Ministerio del Poder Popular para la Comunicación y la Información VenezuelaAber Maduros unbedingte Loyalität ist nicht der einzige Grund, warum Chávez ihn als seinen Nachfolger bestimmte. Er wird von Mitstreitern als geduldig, umgänglich, diplomatisch, pragmatisch, effizient und bescheiden beschrieben. Maduro sei trotz seines jungen Alters (50 Jahre) erfahren, arbeitswillig und fähig, Menschen zu führen. Zwar kann Maduro kaum an Chávez‘ außergewöhnlichen Charme herankommen. Er ist aber auch charismatisch und erzählt dem Volk gern Anekdoten. Möglicherweise moderiert Maduro bald die Show „Aló Presidente“ und plaudert dabei wie sein Vorgänger mehrere Stunden mit den Venezolanerinnen und Venezolanern. Wie Chávez beruft er sich gern auf bekannte Volkshelden und Literaten und bedient sich metaphorischen Wortspielen. So erinnern manche seiner Aussagen doch sehr an Chávez: “Wenn jemand aus dem Volk gegen Nicolás Maduro wählt, wählt er gegen sich selbst“.

Zwar pflegt Maduro nicht gerade einen autoritären Stil à la Chávez; aber vielleicht kann ihm gerade wegen seiner diplomatischen und pragmatischen Art die schwierige Aufgabe gelingen, die verschiedenen Chavista-Fraktionen zu vereinen. Dabei wird es ihm zu Gute kommen, dass er dem gemäßigten Flügel der PSUV angehört. Am schwierigsten wird es für Maduro wohl sein, die mächtigen Militärs auf seine Seite zu ziehen. Chávez‘ politische Wurzeln liegen innerhalb des Militärs, er stattete die Streitkräfte mit bedeutenden Kompetenzen aus und besetzte einige Schlüsselfunktionen mit (ehemaligen) Militärs. Ohne ihr Wohlwollen wird der Zivilist Maduro das Land nicht regieren können.

Sollte Maduro tatsächlich die Wahlen gewinnen, steht er neben der Aufgabe, alle Chavistas zu einen, vor großen Herausforderungen. Die großzügigen Sozialprogramme, welche die Bevölkerung positiv stimmen, müssen schließlich weiterhin finanziert werden. Dafür muss das Land seine ausschließliche Abhängigkeit vom Erdöl überwinden und nachhaltige Alternativen finden. Aber nicht nur wirtschaftlich gesehen muss sich in Venezuela Einiges verändern; auch die wuchernde Korruption und die hohe Kriminalität in Venezuelas Städten verlangen energische Gegenmaßnahmen. Das Problem der Unsicherheit in den Straßen der großen Städte hat sich Maduro auf seine Fahnen geschrieben und weicht damit zum ersten Mal von Chávez ab, der dieses Thema immer erfolgreich umgangen hat.

Zusammenfassend besteht die große Herausforderung für Maduro nicht in den kommenden Wahlen, sondern darin, Chávez‘ Erbe erfolgreich fortzuführen und dabei die Geburtsfehler der Bolivarianischen Revolution zu beheben. Zwar wird es Maduro als Zivilist unter den vielen Militärs schwer haben, jedoch ist er im Volk äußerst beliebt. Er fungiert für viele als Vorbild, indem er als mittelloser und ungebildeter Metrofahrer durch unermüdlichen Revolutionsglauben und Engagement innerhalb der Gewerkschaft von sich reden machte. Damit erinnert er an andere Lateinamerikaner, die es auf diese Weise weit gebracht haben: den ehemaligen brasilianischen Präsidenten Lula da Silva und den bolivianischen Präsidenten Evo Morales. Diesen Sinn für den sozialen und revolutionären Kampf wusste auch Chávez zu schätzen und zollte Nicolás Maduro bei dessen Ernennung zum Vizepräsidenten seinen Respekt:

Schaut, wohin Nicolás geht, der Fahrer Nicolás. Er war Metro-Fahrer, und wie haben sie sich über ihn lustig gemacht, die Bourgeoisie macht sich lustig“.

Bildquelle: [1], [2] Ministerio del Poder Popular para la Comunicación y la Información Venezuela.

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