„Para mí, esa gente no entiende nada de lo que le pasa
y en verdad que no le pasa nada. Nada más que estar
ahí sin vivir ni morir, sin esperar nada, hundiéndose
cada vez un poco más en la tierra pelada.“ [1]
(Augusto Roa Bastos, Yo, el Supremo)
Paraguay – da steht dieser Begriff, zunächst noch verschwommen, neblig, so als würde man ihn aus der Luft betrachtet sehen, wenn der Blick über die weiten, undurchdringlichen Selva-Regionen streift. Doch in dem Maße, wie sich der Nebel hebt, lichtet sich das Bild. Schubladen tun sich auf: War nicht Paraguay eines des beiden Binnenländer Südamerikas, eingezwängt zwischen Bolivien, Brasilien und Argentinien? Teilt nicht der namensgebende Fluß das Land in den Regenwald im Osten und die Schwemmlandebene des Gran Chaco im Westen? War nicht der gemeinsam mit Brasilien betriebene Itaipú-Damm das größte Wasserkraftwerk der Welt, bevor die Chinesen den gigantischen Drei-Schluchten-Damm errichteten?
So taucht man ein in dieses Land, wobei ein Stichwort das nächste ergibt. Wer denkt bei Nennung der Namen von Brasilien, Argentinien und Paraguay nicht an den verheerenden Krieg der Tripel-Allianz (1864-1870), in dessen Verlauf Paraguay mehr als die Hälfte seiner Bevölkerung verlor? Stand nicht auch der Gran-Chaco unfreiwillig Pate für den Krieg gegen Bolivien (1932-1935)? Und verloren im Itaipú-Stausee nicht nur mehrere Tausend Guaraní-Indianer ihr Land, sondern verschwanden in den Fluten nicht auch riesige Flächen Regenwaldes und die Wasserfälle Sete Quedas, ehemals vergleichbar mit denen von Iguaçu?
In der Tat – die Nebel lichten sich. Doch so, wie Stück für Stück das Land hinter der 196 Meter hohen Staumauer des Dammes zum Vorschein kommt, so fallen einem stets nur negative Aspekte zu Paraguay ein: Krieg, Zerstörung, Diktatur. Von allen Diktatoren, die das Land in den Ruin stürzten, tat sich Alfredo Stroessner, Sohn eines ausgewanderten Franken und einer Einheimischen, besonders hervor. 1954 putschte er sich an die Macht und ließ bis zum Ende seiner Herrschaft 1989 tausende Oppositionelle foltern, inhaftieren oder gar verschwinden. Schätzungsweise zwei Millionen Einwohner, circa ein Drittel der Bevölkerung, trieb er ins Exil.
Der ständige Exodus fast der gesamten Bevölkerung hinterließ natürlich in der Entwicklung des Landes seine Spuren. Paraguay zählt zu den ärmsten Ländern in Südamerika. Und für die Einwohner in den Nachbarländern gilt es gemeinhin als Schmugglerparadies. Die Wirtschaft stagniert und wird noch immer durch den Agrarsektor, der vornehmlich auf Großgrundbesitz beruht, geprägt. Soja heißt das neue Zauberwort. Und als hätten all die Kriege nicht schon genug Zerstörung über das Land gebracht, zerqualmen heute im Namen des Fortschritts die majestätischen Riesen des Regenwalds zu einem Haufen Asche, um den Hunger der Welt nach Sojaprodukten zu stillen. Allein zwischen 1990 und 2000 wurden jährlich etwa 0,5 Prozent des einheimischen Baumbestandes zerstört.
Oh, Paraguay, Land des „Wassers, das zum Wasser geht“, reiche mir einen Mate-Tee, kein Steak dazu, denn ich bin Vegetarier, und erzähle mir von Deinen positiven Seiten! Erzähle mir von den noch unberührten Urwald-Reservaten, von den Chaco-Weiten, den Wellen des Paraná und Deinen Menschen. Erzähle mir von Augusto Roa Bastos! Erzähle mir vom legendären José Luis Chilavert, dem torgefährlichsten Torwart der Welt! Oh, Paraguay, laß die Nebel zerfliegen!
Bildquelle: University of Texas at Austin