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Kolumbiens Unabhängigkeit am 20. Juli 1810 – Teil 3

Fabio Zambrano | | Artikel drucken
Lesedauer: 8 Minuten

Der lange Weg zur Unabhängigkeit

Es ist nie einfach, sich von einem Imperium loszusagen. Der Preis für die Freiheit ist immer hoch: Viele müssen mit ihrem Blut bezahlen.

Schlacht auf der Brücke von Boyacá - Bild: Martín Tovar y TovarAm 12. Juni 1808, einem Sonntag, wurde in Santafé de Bogotá, der Hauptstadt des Vizekönigreichs Neugranada (Virreinato de Nueva Granada, wie Kolumbien damals hieß), die Krönung von Ferdinand VII. mit einem großen Fest, Glockengeläut, Luftballons und Feuerwerk gefeiert. Die Bewohner von Santafé ahnten nicht im Geringsten, wie dramatisch die Lage auf der Iberischen Halbinsel war, dass die Meutereien am 2. und 3. Mai in Madrid blutig und mit Waffengewalt von den einfallenden französischen Truppen niedergeschlagen worden waren und dass Ferdinand VII. und sein Vater Karl VI. im französischen Bayonne abgedankt hatten.

Als die Bevölkerung von Neugranada von den Ereignissen erfuhr, war ihre erste Reaktion darauf, ihr Bekenntnis zur Monarchie zu bekräftigen und somit die französische Invasion in Spanien sowie die Ideale der Französischen Revolution abzulehnen. Deswegen fand am 11. September desselben Jahres – genau an dem Tag, an dem Celestino Mutis starb –, in Santafé ein großes Fest zum Zeichen der Treue zu Ferdinand VII. statt.

Es wurden aber bereits gegnerische Stimmen laut, die die Gründung von Regierungsausschüssen (Juntas de Gobierno) im Vizekönigreich forderten. Diese ambivalente Situation in Neugranada – Aufstand auf der einen und Loyalität auf der anderen Seite – erreichte 1810 ihren Höhepunkt, als das spanische Herrschaftssystem infolge der durch den Krieg gegen die französischen Truppen auf der Halbinsel ausgebrochenen Krise vollkommen aus den Fugen geriet. Durch den Sturz der spanischen Monarchie wurde das Imperium führungslos. Das führte dazu, dass am 20. Juli 1810 in Santafé – wie auch in anderen Städten – die Stadträte im Namen des Königs die Macht übernahmen.

Am 26. Juli 1810 erlangte der Oberste Regierungsausschuss (Junta Suprema de Gobierno) von Santafé die Souveränität – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Unabhängigkeit von Spanien. Später wurde dann noch der Kongress der Vereinten Provinzen (Congreso de Provincias Unidas) einberufen. Dies führte zu einem Bürgerkrieg, der als Patria Boba, närrisches Vaterland, bekannt ist.

Die Geschichte der Unabhängigkeit Kolumbiens kann also als Prozess betrachtet werden, der sich aus mehreren Etappen zusammensetzt. Sie begann 1808 und endete mit der Schlacht von Ayacucho in Peru am 9. Dezember 1824. In diesen langen sechzehneinhalb Jahren gab es mehrere Feldzüge mit dem Ziel, die Unabhängigkeit von Spanien zu erkämpfen. Auch wenn heutzutage die so genannte campaña libertadora, der Befreiungsfeldzug, der in Venezuela begann und auf der Brücke von Boyacá endete, ausschließlich mit Simón Bolívar in Verbindung gebracht wird, ist es von Vorteil, sich die unterschiedlichen Etappen dieses Feldzuges, die sich in Neugranada abspielten, vor Augen zu führen.

Der erste Befreiungsfeldzug: Der Südfeldzug von Antonio Nariño 1813-1814

Der als Patria Boba, also närrisches Vaterland, bezeichnete Bürgerkrieg hatte die Regierung geschwächt. 1813 wollte diese Regierung, der Antonio Nariño vorstand, mit einem Bürgerfest die Einigkeit der Provinzen demonstrieren und pflanzte am 29. April 1813 den Baum der Freiheit, eine Myrte. In jenen Tagen fiel Juan Sámano vom Süden her ein, was einen Gegenfeldzug hervorrief, der von Nariño angeführt wurde.

Da sich Sámano als Vertreter des Königs verstand, schlug Nariño dem Colegio Electoral, das dem Kongress der Vereinten Provinzen entsprach, vor, die absolute Unabhängigkeit auszurufen. Und das wurde am 16. Juli 1813 umgesetzt.

Auch wenn es bereits vor diesem Tag Unabhängigkeitserklärungen gegeben hatte, so handelte es sich bis dato immer nur um Stadträte. Cundinamarca hingegen umfasste mehrere Provinzen. Außerdem wurden neue Symbole festgelegt: Flagge, Wappen und Münzen. Man entfernte das Konterfei des Königs; der Unabhängigkeitskrieg begann, und es bildeten sich zwei Parteien heraus: die Patrioten und die Royalisten. Es war eines der Verdienste Nariños, der diesen ersten Feldzug im September 1813 mit 1200 Infanteriesoldaten und 200 Kavalleriesoldaten initiierte. Am 30. Dezember siegte er in Alto Palacé und im Januar 1814 in Calibío. Am 14. Mai jedoch wurde Nariño inmitten der Kriegswirren – und vielleicht auch durch Verrat – in Pasto verhaftet, und somit endete der erste Befreiungsfeldzug.

Simón Bolívars Magdalena-Feldzug 1812-1813

Simón Bolívar traf im November 1812 in Cartagena ein, nachdem er in Venezuela von den royalistischen Truppen besiegt worden war. Er kam zusammen mit vielen weiteren Emigranten aus Venezuela. Am 21. Dezember 1812 reiste er zum Magdalenenstrom, mit dem Auftrag, diesen vor den Spaniern lediglich zu verteidigen. Bolívar verweigerte den Gehorsam und begann, am 23. Dezember den Magdalena-Feldzug. Innerhalb von drei Wochen hatte er die Gegend von der spanischen Besatzungsmacht befreit, so dass die Schifffahrt wieder aufgenommen werden konnte. Nachdem er Cúcuta verlassen hatte, kehrte er nach Caracas zurück. Später, am 19. September, kam er noch einmal nach Cartagena – geschlagen und ausgebürgert –, und im Mai 1815 machte er sich ins Exil nach Jamaica auf.

Befreiungsfeldzug von 1819, Bolívar und Santander

Nach der Wiedereroberung durch die Spanier, die ab 1815 von Pablo Morillo angeführt wurde, verwandelte sich die Region Llanos de Casanare zu einem Kriegsschauplatz des Widerstandskampfes. Im Januar 1819 übernahm Francisco de Paula Santander in Casanare das Kommando und machte sich an die Zusammenstellung eines Heeres. Er schaffte dies in nur einigen Monaten und mit wenigen Mitteln. Er stellte eine Division von 2.000 Mann zusammen, ließ Münzen prägen, organisierte eine Zivilregierung und bestimmte einen Befehlshaber, dem die Anführer der Region unterstanden.

All das wurde zu einer großen Herausforderung für die Spanier, und deswegen fiel der Oberst José María Barreiro in Casanare ein. Santander jedoch besiegte ihn, verfolgte ihn und überquerte dafür sogar die Gebirgskette.

Als Bolívar von den Aktionen Santanders erfuhr, schrieb er ihm am 20. Mai 1819 von Apure aus und schlug ihm die Befreiung von Neugranada vor. Am 3 Juli traf das 1300 Mann starke Heer aus Venezuela, das von englischen Söldnern verstärkt wurde, ein. Nachdem sie am 25. Juni in Tame aufgebrochen waren, machten sie sich direkt auf, die Gebirgskette zu überwinden. Am 26. kamen sie bis Nunchía, am 27. nach Morcote. Santander war Teil der Vorhut, die bei Paya die Spanier besiegte und somit den Weg frei machte. Am 6. Juli trafen sie in Socha ein, und am 25. Juli kam es in der sumpfigen Region Pantano de Vargas zur entscheidenden Schlacht.

Das Heer war mittlerweile durch freiwillige Kämpfer aus Boyacá deutlich angewachsen. Am 7. August gab es die wichtige Schlacht auf der Brücke von Boyacá, und am 10. August marschierten sie in Santafé de Bogotá ein. Der Krieg ging jedoch an mehreren Fronten weiter. Am 21. Oktober 1821 ergaben sich die Spanier in Cartagena. Das ist eigentlich das definitive Datum unserer Unabhängigkeit. Danach folgten allerdings noch weitere Aufstände der Royalisten in verschiedenen Provinzen, zum Beispiel im Januar 1823 in Ciénaga, als die Royalisten Santa Marta einnahmen.

Der Feldzug des Südens

Karte von Venezuela, Neugranada und Quito 1821, Agustin Codazzi - Quelle: David Rumsey Historical Map CollectionEnde 1821 waren zwar Neugranada und Venezuela befreit, aber die Gefahr der Reconquista vom Süden her drohte fortwährend. Um die Unabhängigkeit zu festigen, musste die Bastion der Spanier in Peru angegriffen werden. Deswegen organisierte Bolívar den Befreiungsfeldzug von Quito, das sich noch in der Hand der Spanier befand. Am 17. Juni traf Bolívar in Quito ein. Daraufhin schlossen sich mehrere Staaten zu Gran Colombia, Großkolumbien, zusammen. Am 7. Dezember 1822 siegte Bolívar in Bomboná, in der Nähe von Pasto. Der Sieg von Ayacucho im Jahr 1824 war entscheidend, um die Unabhängigkeit zu festigen.

Diese Zweite Republik, die von 1819 bis 1831 andauerte, trug den Namen Colombia, Kolumbien, und bestand aus Venezuela, Cundinamarca und Quito. Die Bezeichnung Gran Colombia, also Großkolumbien, wurde erst später eingeführt. Während Bolívar den Feldzug des Südens anführte, kümmerte sich Santander um die politische Organisation der Republik und regierte von Bogotá aus, da es ja keinen Präsidenten gab.

Währenddessen entstand in Venezuela der so genannte Caudillismo, in Gestalt von José Antonio Páez. 1826 verkündete er seinen Ungehorsam gegenüber der Regierung von Großkolumbien, worauf umgehend Auseinandersetzungen mit Santander folgten. Die Brüche innerhalb der Republik Kolumbien wurden deutlich. Sogar Bolívar sagte, dass „Quito ein Kloster, Bogotá eine Universität und Venezuela eine Kaserne“ sei. Diese Unterschiede waren bald schon die entscheidenden Gründe zur Auflösung von Kolumbien, die sich nach Bolívars Tod am 17. Dezember 1830 vollzog. Am 20. Oktober 1831 wurde eine neue gesetzgebende Versammlung einberufen, eine neue Verfassung beschlossen und somit die Republik Neugranada, unsere Dritte Republik, gegründet. Die Verfassung wurde 1932 angenommen, und der erste Präsident dieser Republik war der aus dem Exil zurückgekehrte Santander. Von da an begannen wir, das republikanische Projekt umzusetzen, um somit endgültige Unabhängigkeit zu erreichen.

Der Autor ist Historiker und Berater in der von der Regierung eingerichteten Beratungsstelle zur Koordination der Feierlichkeiten zum zweihundertjährigen Jubiläum der Unabhängigkeit Kolumbiens (Alta Consejería Presidencial para la Celebración del Bicentenario).

Original-Beitrag aus La Semana vom 18.07.2009, (Ausgabe 1420). Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift.

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Übersetzung aus dem Spanischen: Natascha Geistmann

Bildquelle: [1] Public Domain, Ölbild von Martín Tovar y Tovar (Die Schlacht auf der Brücke von Boyacá); [2] David Rumsey Historical Map Collection (Agustín Codazzi,  aus seinem Werk „Atlas físico y político de la República de Venezuela“, 1840. Karte von Venezuela, Cundinamarca und Ecuador, die die Republik von Kolumbien bildeten)

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