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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Die Regionen Kolumbiens

Peter Gärtner | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Kolumbien ist das einzige Land Südamerikas, das sowohl am Pazifischen als auch am Atlantischen Ozean eine Küste besitzt. Strukturprägend für die naturräumliche Gliederung Kolumbiens sind die drei Kordillerenzüge (West-, Zentral-, Ostkordillere), die am „Knoten von Pasto“ aus dem andinen Gebirgssystem hervorgehen. Getrennt sind die einzelnen Gebirgsketten durch große Grabenbrüche, in denen die Hauptflüsse des Landes (Rio Magdalena, Rio Cauca) zum Karibischen Meer (Atlantik) entwässern. Zum Formenschatz der Kordilleren gehören neben steilen, von der Erosion stark zerschnittenen Flanken auch weite, zwischen 1000 und 3000 Metern liegende Hochflächen. Sie stellen, wie zum Beispiel das Valle de Cauca (um Cali) oder die Sabana de Bogotá, die Hauptwirtschaftszonen des Landes dar.

Im Norden erstreckt sich das breite, feuchtheiße karibische Küstentiefland, aus dem sich horstartig die Sierra Nevada de Santa Marta, mit 5.775 Metern das höchste Küstengebirge der Erde, erhebt. Die östlichen und südöstlichen Tiefländer zerfallen in die zum Orinoco entwässernden Feuchtsavannen der Llanos Orientales und in die immergrünen Regenwälder des kolumbianischen Amazonien. Die feuchtheiße, magrovengesäumte pazifische Küstenebene gehört zu den niederschlagreichsten Regionen der Erde. Die Halbinsel La Guajira im Nordosten Kolumbiens bildet das semiaride, aus Dornbusch- und Kakteensavannen bestehende Gegenstück.

Diese naturräumliche Großgliederung erfährt im andinen Raum durch die thermische und vegetationsmäßige Höhenstufung eine vertikale Differenzierung. Da Durchgangspässe in geringer Meereshöhe fehlen, erweisen sich die Kordillerenzüge als schwer zu überwindende Barrieren, was dazu geführt hat, dass die großen Flüsse die wichtigsten Transportadern zu den Karibikhäfen bilden.

Neben der naturräumlichen Gliederung wurde die Herausbildung von Regionen innerhalb Kolumbiens durch verschiedene Siedlungs- und Kolonisierungswellen bestimmt. Im Zuge der spanischen Eroberung war die Atlantikküste mit Santa Marta (1525) und später Cartagena (1538) Ausgangspunkt der ersten Kolonisierungswelle, die durch Eroberungszüge, welche von Peru und Venezuela aus erfolgten, ergänzt wurde. Im Ergebnis der Eroberung und Besiedlung durch die Spanier wurde zweihundert Jahre später (1739) das Vizekönigreich Neu-Granada mit Bogotá als Hauptstadt geschaffen. Außer dem Kernland Kolumbien umfasste es die Territorien der heutigen Nachbarländer Ecuador und Venezuela. Die zweite Phase setzte im 18. Jahrhundert ein und wurde bereits von einer weitgehend mestizierten Bevölkerung unter kreolischer Ägide getragen. In ihrem Wesen war sie eine Kaffee-Kolonisierung, die sich sowohl als Hacienda- wie auch als Farmer-Kolonisierung vollzog. Sie schloß an die erste Welle an und weitete die Grenzen der bereits bestehenden Regionen aus. Nach Erschöpfung der Kaffeegrenze (d.h. Ende der räumlichen Expansion des Kaffeeanbaus) in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts und im Zuge der Modernisierung der 50er Jahre setzte die dritte Phase der Kolonisierung ein. Deren Ende Mitte der 80er Jahre läutete gleichzeitig das Ende der Agrarkolonisierung ein.

Bereits im Ergebnis der ersten Kolonisierungsphase bildeten sich fünf regionale Kerne heraus:

  • im Norden die Atlantikküste mit Cartagena (*1533) und Barranquilla (*1715) als Zentren;
  • im Süden die von Ecuador und dem Pazifik begrenzte Region Cauca mit den Zentren Popayán (*1535) und Cali (*1536);
  • die zentralandine Region mit der Hauptstadt Bogotá (*1538) als Mittelpunkt;
  • flankiert von der südandinen Region des Alto Magdalena und der nordandinen Region der Santanderes, wobei erstere vor allem Nexus- und Durchgangsfunktion hatte;
  • die nordpazifische Region Antioquia mit dem Zentrum Medellín (*1675), die mit einer einzigartigen, bis in das 20. Jahrhundert hineinreichenden Kombination von größter Homogenität und größter physischer Isolation eine Sonderstellung unter den Regionen Kolumbiens einnimmt.

Mit der dritten Phase der Kolonisierung gewann die Región Oriental Colombiana an Konturen, die mit 59% des nationalen Territoriums zugleich die größte des Landes ist.

Historisch bildete Panama, das sich 1903 mit tatkräftiger Unterstützung der USA von Kolumbien abspaltete und für unabhängig erklärte, eine weitere Region, deren Territorium auf dem zentralamerikanischen Isthmus liegt und die durch die bis heute schwer zu durchdringende Landenge von Darién vom Rest des Landes isoliert war.

„Es hat sich also gezeigt, dass in Kolumbien eine geografisch-ökologische und wirtschaftliche regionale Fragmentierung vorliegt. Sie impliziert nicht nur die Regionalisierung von Eliten und die Segmentierung des Binnenmarktes, sondern besitzt auch die Potenz, Politik und darunter Gewalt zu konfigurieren.“ (Zinecker 2007:156)

Die räumliche Bevölkerungsverteilung in Kolumbien ist ebenfalls sehr unausgeglichen. Auf den andinen Teil konzentrieren sich fast 75% der Bevölkerung, davon allerdings 54% in den dort gelegenen Großstädten und Agglomerationen. Allein auf die andinen Metropolitanregionen von Bogotá, Medellín und Cali entfielen 1993 ca. 30% der Landesbevölkerung. Der Urbanisierungsgrad Kolumbiens liegt bei über 75%.

„Im Unterschied zu den Nachbarstaaten konnte sich die Zentralregierung in Bogotá gegenüber den Provinzen niemals völlig durchsetzen. Es entwickelten sich starke Regionen, deren Eliten über großen Einfluss in Politik, Staat und Gesellschaft verfügen. … Noch heute existieren ausgeprägte Unterschiede in Bezug auf politische Tradition, Wirtschaftskraft, Bevölkerungs¬struktur und kulturelles Selbstverständnis. 1986 setzte ein Dezentralisierungsprozess ein, der sich zunächst in der Direktwahl der Bürgermeister niederschlug. Mit der Verfassung von 1991 wurde er noch weiter vorangetrieben, ohne jedoch ein föderales System einzuführen.“ (König 2008:358)

* Gründungsjahr wichtiger Städte

(auf Grundlage von König 2008, Mertins 1997; Zinecker 2007:136-156 – siehe „Literatur zum Thema“)

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