Präsident Manuel Zelaya über die Manöver der Putschregierung und die Haltung der USA
Manuel Zelaya, demokratisch gewählter Präsident von Honduras wurde am 28. Juni durch einen militärischen Staatsstreich mit einem von der US-Militärbasis Soto Cano gestarteten Flugzeug nach Costa Rica geflogen. Am 21. September kehrte Zelaya überraschend in die brasilianische Botschaft in die Hauptstadt Tegucigalpa zurück, wo er seitdem, von Militärs umzingelt, als Gefangener der Micheletti-Diktatur verharrt. Über die Situation nach dem gescheiterten Abkokommen sprach mit ihm für ND Manola Romalo.
ND: Herr Präsident, Vertreter ihrer Regierung haben zusammen mit jenen der Putschisten am 5. November ein Abkommen unterschrieben, das Ihre Wiedereinsetzung vorsieht. Das De-facto-Regime denkt gar nicht daran, Ihnen zu erlauben zurückzukehren. Wie schätzen Sie diese Haltung ein?
Zelaya: Seit dem 28. Juni verspotten die Putschisten die honduranische Gesellschaft. Jetzt nehmen sie zudem die internationale Gemeinschaft auf den Arm. Uns geht es darum, den Staatsstreich, der die demokratische Ordnung gebrochen hat, rückgängig zu machen. Wir mussten eine bittere Lektion lernen. Der von Hillary Clinton an die Putschisten um Roberto Micheletti gerichtete Appell, ein Abkommen zu schließen, führte einzig und allein zur Stärkung der Diktatur. Die Putschisten haben der internationalen Gemeinschaft und den USA bewiesen, dass sie ohnmächtig gegenüber der Diktatur sind.
Abgesehen von einer ganzen Reihe von sozialen Maßnahmen haben Sie zum Schreck einiger großer internationaler Konzerne den Spritpreis heruntergesetzt.
Die Interessen der Bevölkerung sollten Vorrang vor den Interessen der Multis haben. Deswegen haben wir ein Projekt für die Erforschung der Ölvorkommen an der honduranischen Karibikküste gestartet. Das Land selbst soll die Kontrolle über die möglichen Ölreserven der Karibik haben, an denen die internationalen Konzerne interessiert sind. Das ist die eine Alternative. Die andere ist die, die die De-facto-Regierung betreibt: ein Ausverkauf der honduranischen Interessen an die internationalen Konzerne. Die Spritpreise wurden bereits wieder erhöht, damit die Multis wie früher ihre Gewinnspanne realisieren können. Die Transparenz in Sachen Ölkonzessionen, die ich veranlasst hatte, wurde wieder aufgehoben. Diese Konzerne wollen ihre Gewinne um jeden Preis erhöhen. Die Putschisten helfen ihnen dabei zu Lasten der ärmeren Bevölkerung.
Wie ist jetzt die Lage in Honduras?
Militärkasten haben in Lateinamerika immer für Rückschritt gesorgt: In Honduras sind die Militärs nun wieder an der Macht und setzen auf Staatsterrorismus. Die vorherrschenden Faktoren: die Rückkehr der Todesschwadronen, Wahlbetrügereien, das Schließen von unabhängigen Kommunikationsmedien, politische Unterdrückung der Opposition und die Verletzung aller Menschenrechte.
Es macht uns Sorge, dass die Regierung der Vereinigten Staaten sich demokratischer Werte entledigt hat, indem sie ihre Strategie, abhängig von den Manövern der Diktatur, ändert. Das führt uns zu Wahlen nach dem Muster Afghanistans. Wir sind besorgt, weil die Destabilisierung der moralischen Werte der US-Regierung dabei ist, die Demokratie und den Völkergeist Lateinamerikas zu schädigen.
»Eilt, Mel!« ist das Motto der Widerstandsbewegung, auf ihren langen Protestmärschen durch Honduras. Woher kommt Ihre enorme Popularität in einem Land, wo bislang alle Präsidenten nur Marionetten der Oligarchie waren?
Meine Stimme erhebe ich im Namen der Wahrheit, im Namen dessen, was bewusst versteckt wird – als ob diese sogenannten Wahlen eine demokratische Handlung wären. Das ist nicht die Wahrheit. Diese für den 29. November angesetzte Wahl ist eine Maske, die der Gesellschaft von den faktischen Mächten übergestülpt wurde, ein politisches Geschäft: Der Staat führt die Geschäfte der Oligarchie weiter. In Honduras waren staatliche Institutionen niemals am Wohlergehen des Volks interessiert. Nur an demjenigen der Mächtigen. Das ist die Wahrheit, die ich kannte und zum Vorschein gebracht habe. Ich wollte am 29. November zusätzlich zu den Wahlen dem Volk eine Frage stellen: »Soll eine verfassungsgebende Versammlung einberufen werden?« Mit einer neuen Verfassung könnte das Volk das erhalten, was ihm zusteht: Würde, Gerechtigkeit, Demokratie. Aber die Putschisten waren damit nicht einverstanden und griffen zum Staatsstreich.
Jedes Putschregime ist antidemokratisch. Diese Leute werden mit Ihnen niemals einen Dialog führen. Einen Staatsstreich machen sie ja nur, um an der Macht zu bleiben. Deshalb ist es für einen Präsidenten so schwer, mit der Lüge einen Dialog zu führen. Können Sie mit kriegerischen Mitteln Frieden erreichen? Man kann es nicht. Ich werde mich niemals vor Mächten beugen, die dem Volk sein Recht auf Demokratie entreißen wollen. Ich ziehe es vor, verfolgt, eingesperrt oder getötet zu werden. Aber niemals werde ich meine Stimme verstummen lassen!
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Das Interview erschien bereits am 12. November 2009 in der Tageszeitung Neues Deutschland. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Manola Romalo.
Bildquelle: Agencia Brasil, Jose Cruz.