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Natividad Sales Calmo – Tod und Leben in Guatemala
Ein Testimonio in drei Teilen

Natividad Sales Calmo | | Artikel drucken
Lesedauer: 3 Minuten

Nati mit Tochter. Bild: Lars Barthel. Copyright: ZDF / pop tutu film, 2008.Im Juli 2009 war Natividad Sales Calmo (Nati) zur Premiere des Dokumentarfilms „Auf halbem Weg zum Himmel“ in Deutschland zu Gast. In Leipzig sprachen mit ihr für den QUETZAL: Peter Gärtner, Andrea Lammers und Patrice Castillo. Ihr Leipziger Testimonio*, das von Andrea Lammers übersetzt und redaktionell bearbeit wurde, geben wir ungekürzt in deutscher Übersetzung wieder.

Nati wird 1961 in San Idelfonso, Ixtahuacán (Departement Huehuetenango) im Hochland Guatemalas geboren;  ihre Kindheit erlebt sie überwiegend auf den Kaffeeplantagen der Südküste, wo ihre Eltern arbeiten. Sie ist heute Bäuerin und Weberin, bei Bedarf auch Hebamme und Leichenwäscherin. Zusammen mit ihrem Mann hat sie zwei Töchter und einen Sohn. Sie spricht Mam, Q’anjobal und Spanisch.

In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre siedelt Nati mit ihren Eltern und Geschwistern in den Ixcán im nördlichen Tiefland Guatemalas über. Ihr Vater wird führendes Mitglied der Kooperativenbewegung um den US-amerikanischen Pater Guillermo Woods; drei Jahre lang kann Nati die Grundschule in Xalbál besuchen, danach muss sie als Unterstützung für die kranke Mutter und die jüngeren Geschwister zuhause bleiben. Sie versucht, durch Fernkurse mehr Bildung zu erlangen. Nach Entführungen und ersten Erschießungen von Führungspersonen der Kooperativen durch die Armee formiert sich breiter Widerstand im Ixcán. Die Armee antwortet mit Massakern gegen die Zivilbevölkerung. Natis Familie flieht zu Beginn der achtziger Jahre, nachdem die Nachbarsfamilie in ihrem Haus lebendig verbrannt worden ist.

Nati überlebt im Regenwald und arbeitet als Gesundheitshelferin für die zivilen Widerstandsdörfer und die versprengten Gruppen Flüchtender, die auf der Suche nach einem Weg nach  Mexiko sind; auf der Flucht  Richtung Grenze wird sie bei einem Militärangriff schwer verletzt und bleibt ein Jahr bettlägerig in einem Versteck bei einer Heilerin.  Schließlich glückt das Zusammentreffen mit ihrer Familie in einem Flüchtlingslager im mexikanischen Bundesstaat Quintana Roo. Sie heiratet, bekommt trotz großer Komplikationen durch ihre Kriegsverletzung ihre erste Tochter und engagiert sich für die Flüchtlingsfrauenbewegung „Mama Maquín“. 1993 kehrt sie mit dem zweiten Rückkehrerblock nach Guatemala zurück und siedelt sich mit ihrer Familie 1994 auf dem ehemaligen Großgrundbesitz „Xamán“, der neuen Gemeinde „La Aurora 8 de Octubre“, in Alta Verapaz an. Am 5. Oktober 1995 wird sie von einem Geschoßfragment oder einem Granatsplitter gestreift, als eine Militärpatrouille im Ortszentrum ein Massaker begeht. Ihr Baby, das sie im Tragtuch auf dem Rücken trägt, wird davon verletzt. Ihr vierjähriger Sohn Gerardo fällt zu Boden und die in Panik vor den Soldaten flüchtenden Dorfbewohner laufen über ihn hinweg. Von 1996 bis zum Urteil 2004 ist Nati Zeugin im Prozess gegen die Militärpatrouille. 2004 stirbt Gerardo an den Spätfolgen seiner Verletzungen.

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* Aus meiner Sicht ist ein Testimonio eine individuelle, sehr persönliche  Rekonstruktion zurückliegender Ereignisse, Wahrnehmungen und Gefühle – in einem bestimmten Moment und einer bestimmen Sprechsituation – also keine Geschichtsschreibung und auch keine sichere Quelle für eine solche. Stattdessen erhalten wir einen sehr lebendigen und detaillreichen  Einblick in einen stets veränderlichen subjektiven Sinngebungsprozess. Besonders faszinierend und charakteristisch für Nati, und vielleicht auch kennzeichnend für ihre kulturelle Zugehörigkeit ist, dass in ihrer Rede imaginierte bzw. rekonstruierte äußere Dialoge und innere Monologe nahtlos ineinander übergehen. Ich habe versucht, tendenziell eher „äußere“, erinnerte Dialoge durch das Setzen von Anführungszeichen kenntlich zu machen und innere Monologe in den Sprachfluß zu integrieren, kann mich aber an der einen oder anderen Stelle durchaus auch einmal geirrt haben.

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