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Interview mit Arlena Ciefuentes Asamblea de la Sociedad Civil (ASC) in Guatemala

Peter Gärtner | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Mir scheint, dass der Organismus der Asamblea de la Sociedad Civil ein guter Vermittler zwischen den Interessen ist. Es existiert nichts ähnliches in anderen zentralamerikanischen Ländern.

Es gibt keinen weiteren Organismus, der diese Rolle ausfüllen könnte. Im Moment ist er das einzige, was wir haben. Das Problem ist, dass wir nicht die Reife haben, ihn zu nutzen. Die internationale Gemeinschaft hat, wie ich glaube, viele Hoffnungen in die Asamblea gesetzt. Die Vereinten Nationen haben ihr große Möglichkeiten eröffnet. Trotz des Weggangs von Toruño kam Butros Gahli und wir hatten ein Treffen mit ihm. Ich denke, das gibt der Asamblea Bedeutung und Gewicht. Die befreundeten Länder haben der Asamblea ebenfalls Spielräume eröffnet. Ich nenne ihnen gegenüber offen meine großen Zweifel, ob das, was wir erhalten haben, jetzt dasselbe Gewicht behaupten wird, das die internationale Gemeinschaft der Asamblea verliehen hat. Denn die Leute sagen, es ist besser mittendrin zu sein, Möglichkeiten zu haben, als abseits zu stehen. Aber meines Erachtens muss man in der Lage sein, die Möglichkeiten zu nutzen, man muss das Geschick haben, Verlorenes wiedergewinnen und damit die Gesellschaft zu stärken. Es geht nicht nur darum, Freiräume zu besetzen, wir müssen auch geschickt genug sein, diese zu nutzen. Doch gerade in dieser Frage versucht jeder, Vorteile für sich zu erreichen und unsere Anstrengungen werden brüchig.

Zu ihrer Meinung hinsichtlich der Gründe, warum hier in Guatemala und nicht in El Salvador oder Nikaragua ein solcher Einfluss der Zivilgesellschaft zu konstatieren ist? Mir scheint das Organisationsniveau der Zivilgesellschaft in Guatemala entwickelter, ausgereifter als in anderen Ländern Zentralamerikas ist. Welches sind die Ursachen dafür?

Ich denke, dass die Zivilgesellschaft in Guatemala weder besser organisiert noch ausgereifter ist als in anderen Ländern. In El Salvador gab es während der Verhandlungen für den Friedensprozess eine sehr gut organisierte Zivilgesellschaft, die aber nicht als Alternative teilnahm wie wir. In El Salvador hatte die Zivilgesellschaft nicht so viele Spielräume, aber es gab in der Tat eine organisierte Zivilgesellschaft, gewohnt an eine politische Kultur des Dialogs, die wir nicht haben.

Und dann gibt es hier einen Unterschied. Sie sind dort fortgeschrittenere, solidarischere Gesellschaften. Wir hier, also wenn wir jemandem am Ausgang ein Bein stellen können, dann tun wir das, und wir lassen den anderen hinfallen und sich das Gesicht aufschlagen. Wir wägen die Konsequenzen nicht ab. Wenn ich zu Zusammenkünften mit Salvadorianern und Nikaraguanern komme, fühle mich zum Heulen, wenn ich die Solidarität dieser Leute untereinander sehe, ebenso die Solidarität der Salvadorianer mit meiner Organisation, ohne mich zu kennen. Sie sagen, Arlena, sieh, du hast keine Finanzierungsmöglichkeiten, hier gibt es eine Quelle und sie sagen, welche Projekte wir vorstellen können. Das ist eine Sache, die es hier in Guatemala nicht gibt. Hier kann man arbeitend helfen, aber wenn es Gelder gibt, fuhrt dies zu einer Reihe von Eifersüchteleien und Problemen, und man wird gefragt, wofür man diese Gelder erhalten hat. Das ist eine Angelegenheit, die ich nur schwer verstehen kann, obwohl ich hier lebe. Deshalb glaube ich, dass wir solidarisch werden und uns besser unterstützen müssen. Denn, wenn wir uns nicht gegenseitig unterstützen, werden wir gegeneinander ausgespielt und bleiben zersplittert und fragmentarisch.

Das Problem, das wir als Land haben, ist eine Krise, die auch alle anderen Länder der Erde durchmachen. Aber hier spüren wir das besonders stark und es fehlt an Glaubwürdigkeit der politischen Parteien. Man sagt, sie taugen nicht als Transmissionsriemen, der sie sollten und dies führt zu dieser Leere und dazu, dass die Organisationen der Zivilgesellschaft die Aufgaben der politischen Parteien übernehmen müssen.

Sie ersetzen die politischen Parteien?

Ja, das ist ein Ersatz, für den wir kritisiert werden, zum Beispiel von den Organisationen des Volkssektors, wie mir ein politischer Führer sagte. In der Tat seien wir dabei, Politik zu machen, Politik mit Parteiinteressen, meinte er übertrieben kritisch. Aber das ist nicht das Problem, das Problem ist, dass die organisierte Zivilgesellschaft diesen Lücke füllen muss, die die Politiker hinterlassen, da sie ihre Aufgabe nicht erfüllen. Und wie ich sagte, in anderen Ländern gibt es auch eine Krise, aber in diesem Land, glaube ich, ist das noch etwas anders. Zum Beispiel haben wir noch keine Partei der Linken; wir sprechen zwar gerade nicht von Rechten und Linken, aber es ist auffallend, dass es keine Partei der Linken gibt. So werde ich zum Beispiel von den Medien gefragt, was ich von den Linken in diesem Land denke, und ich frage zurück, wovon sie überhaupt sprechen, weil ich keine politische Partei der Linken in unserem Land ausmachen kann. Also es gibt große Lücken, sehr große Lücken.

Eine letzte Frage: welches wären die politischen Perspektiven der Versammlung der Zivilgesellschaft für die Zukunft?

Ich glaube, dass der Prozess der Friedensverhandlungen uns jetzt herausfordert, dass wir nicht auf die Unterzeichnung der Verträge warten dürfen. Für alle Bereiche sind eine größere Reife und größere Opferbereitschaft nötig. Es heißt, das Volk, wir als Personen, als Gesellschaft übernehmen den Verhandlungsprozess ohne Zuverlässigkeit. Uns ist vor allem wichtig, am Aufbauprozess teilzunehmen, weil wir nicht nur darauf warten dürfen, dass sie die Verträge unterzeichnen. Wir müssen uns auch dem stellen, was uns der morgige Tag bringen wird, wenn diese Verträge Rechtskraft haben.

*Das Interview wurde von Peter Gärtner am 04.05.95 in Guatemala-Stadt geführt.

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