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Lateinamerika: Trump mit Putin – Lateinamerikas linke Regierungen vor einem Dilemma

Redaktion | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Wie war es doch früher einfach für die (lateinamerikanische) Linke! Eindeutig-unverrückbare Feind- und Freundeslinien leiteten sie an: die USA, die staatliche Inkarnation des Yankee-Imperialismus, als Erz- oder Hauptfeind auf der einen Seite und die Sowjetunion bzw. Russland als Bruder oder Bündnispartner auf der anderen. Mit dieser „schönen“ strategischen Klarheit ist es vorbei. Im Verlauf des Russland-Ukraine-Kriegs haben sich nun, in Gestalt von Putin und Trump, Hauptfreund und Hauptfeind verpartnert. Will man jetzt als Linker Russland als Partner behalten, muss man es im Doppelpack mit dem (bisherigen?) Hauptgegner „kaufen“. Damit aber hat der linke Kompass, zumal im globalen Süden, keinen außenpolitischen Norden mehr. Das ist für die dortige Linke dilemmatisch, weil ihr der altgedient-konstitutive „Hauptwiderspruch“ abhandenkommt und sie einen neuen nicht „gefunden“ hat. Daher gerät sie argumentatorisch in politische Inkonsistenzen und reagiert entweder prinzipienlos oder erratisch (bzw. sprachlos), was (mit einer Ausnahme) auch, ja zuvörderst, linke Regierungen betrifft: Nikaraguas Präsident Daniel Ortega hat Putins Angriffskrieg als Verteidigung gegen Kyjiws „Nazismus“ und Volodymyr Zelenskyj als „Ausgeburt Hitlers“ stilisiert. Russland fechte gegen den „ukrainischen Hitler“ und den ihn unterstützenden Westen einen zweiten Großen Vaterländischen Krieg aus. In der letzten Februar-UN-Vollversammlung stimmte Nikaragua als einziges Land Lateinamerikas gegen beide Russland-Ukraine-Resolutionen: zuerst zusammen mit Russland und den USA und dann gemeinsam mit Russland bei Enthaltung der USA. Nikaragua will alles: sowohl Russlands Militärbasen im eigenen Land als auch die USA als größten Handelspartner behalten, ansonsten aber autonom sein. Höchstzufrieden ist es, dass Trump die Finanzierung von USAID ausgesetzt hat, denn die hatte ja die Opposition zur Ortegas Diktatur unterstützt. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat sich wiederholt und auch zuletzt dafür ausgesprochen, dass Putin im Krieg gegen die Ukraine siegen möge. Nach Trumps Amtsantritt war er dann aber sofort bereit, aus den USA abgeschobene Venezolaner zurückzunehmen. Denn allzu gern wollte er als Gegenleistung, dass der kalifornische Öl-Konzern Chevron im Lande bleibe, der in Venezuela trotz US-Sanktionen Öl fördern durfte. Dass nun Trump, dem gegenüber er sich doch gerade „wohlverhalten“ hatte, diese Öl-Lizenz kassierte, kann sich Maduro „nicht erklären“. Für Kuba steht, ungeachtet dessen, dass es sich bei beiden UN-Ukraine-Resolutionen enthalten hat, die „strategische Partnerschaft“ mit Russland außer Frage. Ähnlich wie Nikaragua ist es von Trumps Finanzierungsstopp für USAID angetan, denn diese galt ihm schon immer als „trojanisches Pferd“ der US-Exil-Kubaner. Aber dann hat doch ebendieser Trump den Inselstaat trotzdem auf die Liste der Terror-Sponsor-Staaten gesetzt! Das wiederum konnte Präsident Miguel Díaz-Canel nur verurteilen und wurde darin von Maria Zakharova, Sprecherin des russischen Außenministeriums, sekundiert. Was aber heißt all das für Kubas Verortung zwischen Trump, Putin und Zelenskyj? Der jüngste Eklat zwischen Trump und Zelenskyj im Weißen Haus hat in Kuba, anders als im Gros Europas, keinerlei Schock ausgelöst und wird in der Partei-Zeitung Granma nur kühl konstatiert – weder kommentiert noch gewertet, wie es doch sonst so üblich ist. In diesem Argumentations-Vakuum behelfen sich nun Kubas Kommunisten mit anderen kommunistischen Quellen, wo u.a. zu lesen ist: Nicht Trump sei schuld am Eklat im Oval Office, sondern Zelenskyj, der sich falsch, zu wenig unterwürfig, verhalten habe, sich aber auch falsch verhalten musste, weil ihn ja Biden in den Krieg hineingezogen habe. Gustavo Petro, Präsident Kolumbiens, der, genauso wie Maduro, eigene Landsleute aus den USA zurücknahm, ist sich nicht zu schade, Zelenskyj als „dumm“ und „manipuliert von Westeuropa [kursiv: Quetzal]“ abzuqualifizieren, weil dieser gegen seine slawischen Brüder kämpfe und die Ukraine den USA überlasse. Ansonsten interessiert Petro der Ukraine-Krieg wenig. Brasiliens Dilemma besteht schon historisch darin, Äquidistanz in weltpolitischen Konflikten zu wahren, aber gleichzeitig eine politische Führungsrolle anzustreben. Beides zusammen zu wollen, ist aber ein Widerspruch in sich. Auch Präsident Inácio Lula da Silva frönte dieser Äquidistanz, als er beide kriegführende Seiten, Aggressor wie Opfer, für schuldig am Krieg in der Ukraine befand. Weniger schon passt zu prinzipieller Neutralität, dass Lula, seit er wieder Präsident ist, politischen Kontakt zwar mit Russland, aber nicht mit der Ukraine pflegt. Die BRICS lassen grüßen. Sein nachfolgender Versuch, Äquidistanz in eine Vermittlerrolle und die Entsendung von Friedenstruppen umzumünzen, wurde von Putin goutiert. Denn dies wäre ja eine Alternative zu europäischen Friedenstruppen gewesen. Bei Trumps Deal mit Putin missfiel es Lula dann aber doch, dass die Ukraine nicht am Verhandlungstisch sitzen solle. Seine Ambition, Brasilien als Vermittlerstaat ins Spiel zu bringen, scheitert, wenn diesen Part, wie momentan, höchstselbst Trump übernimmt. Nachdem der jedoch Zelenskyj als „Diktator“ verunglimpft hatte, kam selbst Lula, der „einsame bridge-builder“, nicht umhin, den US-Präsidenten als „Möchte-gern-Imperator“ zu titulieren. Man sollte hoffen, dass er auch den anderen, den im Kreml, so nennte… Warum denn nicht auch da Äquidistanz? Aber wo würde er dann die Ukraine einordnen, als Opfer oder, wie bis dato, als Mittäter? Den Eklat im Oval Office beschrieb Lula schon einmal als „respektlos“, „grotesk“, womit er nicht Zelenskyj meinte, und auch als „demütigend“, letzteres ganz ausdrücklich für Zelenskyj. Und nun? Wie weiter, Lula? Allenfalls gibt es in Lateinamerika bereits einen linken Präsidenten, der solcherart Dilemmata vermieden hat: Gabriel Boric in Chile, der Russlands Angriffskrieg genauso wie Trumps Haltung dazu als das benennt, was sie sind: „völlig unakzeptabel“. (Bild: Quetzal-Redaktion, gc)

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