Argentinien: Historisches Urteil zugunsten der indigenen Völker
|In der letzten Woche fällte die argentinische Justiz ein Urteil im Prozess um das so genannte Napalpí-Massaker von 1924 und machte den argentinischen Staat für ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Rahmen eines völkermörderischen Vorgehens“ verantwortlich. Das Urteil, das ein 2014 eröffnetes Gerichtsverfahren abschließt, stellt einen Akt der historischen Wiedergutmachung für die indigenen Völker Lateinamerikas dar, da es eine offizielle Anerkennung des vom Staat verübten Genozids ist. Die Ereignisse fanden in der Reducción Aborígen Napalpí (heute Colonia Aborígen, etwa 1300 km nördlich von Buenos Aires) in der heutigen Provinz Chaco statt, als eine Gruppe von Arbeitern und Familienangehörigen streikte, um u.a. eine gerechte Entlohnung und die Möglichkeit der freien Arbeitssuche zu fordern. Daraufhin griffen staatliche Sicherheitskräfte und paramilitarische Gruppen ein, die sich aus „geschädigten“ Großgrundbesitzern zusammensetzten, was zum Tod von zwischen 400 und 700 Angehörigen der ethnischen Gruppen der Qom und Moqoit führte. Nach überlieferten Berichten wurden die verstümmelten Leichen von den Landbesitzern als Trophäen ausgestellt. Die Mehrheit der Überlebenden wurde in den Wäldern gejagt und die Verwundeten getötet, denn man wollte vermeiden, dass es Zeugen gibt. Bei dieser Art von Reducciones handelte es sich um Gebiete, die vom Staat mit dem Ziel geschaffen worden waren, die Indigenen im Hinblick auf die Baumwollernte in einer Art Halbsklaverei eingesperrt zu halten. Auch wenn die Vorfälle damals im Parlament diskutiert wurden, endeten sie in einem Schauprozess, in dem das Gericht entschied, dass es sich um einen interethnischen Zusammenstoß gehandelt habe. Das neue Urteil verpflichtet den Staat u.a. zu einem öffentlichen Akt, in dem er sich zu seiner Verantwortung bekennt. Zudem ordnet es zweisprachigen Schulunterricht, die Errrichtung eines Gedenkortes am Ort des Geschehens, die Durchführung von Schulungen für die Sicherheitskräfte zur Achtung der Menschenrechte und die Einrichtung eines öffentlichen Archivs mit den im Prozess vorgelegten Zeugenaussagen an. Diese Maßnahmen stellen nicht nur einen Akt der Geschichtsaufarbeitung dar, sondern sollen auch der Diskriminierung entgegenwirken, unter der indigene Völker nach wie vor leiden. (Bildquelle: Quetzal-Redaktion_soleb)