Los Verdes, die Grüne Partei Kolumbiens, steht vor der Herausforderung, sich als entscheidende Macht im Land zu konsolidieren und zu beweisen, dass ihre mehr als drei Millionen Wähler zu einer soliden politischen Basis werden können.
Die mehr als dreieinhalb Millionen Wählerstimmen, die Antanas Mockus am 20. Juni 2010 auf sich vereinen konnte, sind nicht das Ergebnis eines strategischen Vorgehens der Verdes. Auch einige führende Mitglieder der Grünen teilen die Meinung von Analysten und politischen Beratern, dass die Partei bei der Umwandlung ihrer Botschaft in Wählerstimmen Fehler gemacht hat und dass es Schwierigkeiten gab, die Begeisterung der Bürger, die den Kandidaten der Grünen zwischenzeitlich mit Juan Manuel Santos gleichziehen ließ, zu lenken.
Letztlich hat das Ergebnis der Grünen im zweiten Wahlgang zwei Dinge gezeigt: erstens, dass die Begeisterung der Bürger für die grüne Sache nicht vollständig bei der Neustrukturierung der Partei aufgegriffen wurde, und zweitens, dass es in einem Land, das an die Vermittlerfunktion von Abgeordneten beziehungsweise Stadt- und Gemeinderäten gewöhnt ist, praktisch unmöglich erscheint, die Wahlen allein mit den Stimmen von Meinungswählern (votos de opinión) zu gewinnen. Die vier führenden Persönlichkeiten der Grünen Partei, Antanas Mockus, Enrique Peñalosa, Lucho Garzón und Sergio Fajardo, sind sich dieser Tatsache sehr wohl bewusst. Sie wissen auch, dass das erst kurze Bestehen ihrer Partei angesichts der ins Haus stehenden Regional- und Lokalwahlen 2011 keine Entschuldigung sein kann. „In sechs Monaten sind wir von der Alternative der ‚drei Tenöre‘ oder auch der ‚drei Spinner‘ zu einer Machtoption geworden. Die 3,6 Millionen Wählerstimmen dürfen nicht als Zielerreichung angesehen werden, sondern als Ausgangspunkt“, meint Alfonso Prada, der für die Grünen im Abgeordnetenhaus sitzt.
Fajardo und die drei ehemaligen Bürgermeister von Bogotá fühlen sich keineswegs wohl mit der Verantwortung, die ihnen von der Politik auferlegt wird: Sie sollen ein Gegengewicht zur Regierung der Unidad Nacional bilden, die mit fast uneingeschränkter Macht in ihre Amtszeit startet. Die Grünen sind sich einig darin, dass sie die Regierung Santos in den Punkten unterstützen wollen, mit denen sie programmatisch übereinstimmen. Sie wollen politisch in der Mitte angesiedelt bleiben und keineswegs die Opposition in einem Land bestärken, das immer weiter nach rechts rückt. Außerdem wollen sie auch weiterhin im Zeichen von Erneuerung und Legalität zusammen arbeiten, was ihnen in der zweiten Wahlrunde ein Viertel der Stimmen eingebracht hat. „Für keine andere Partei ist es von so hoher Priorität, saubere Politik zu betreiben, wie für die Grünen“, so Peñalosa.
Aber der Wille allein reicht nicht, und der Weg, der noch vor ihnen liegt, ist nicht einfach. Der Rückhalt der Grünen in den städtischen Gebieten musste neu bewertet werden, nachdem Santos in den meisten Städten vorn lag, darunter auch in Medellín und Bogotá, den vermeintlichen Wählerhochburgen der erfolgreichen Ex-Bürgermeister. Zudem erzielten die Grünen bei den Kongresswahlen nur fünf Sitze im Senat und drei im Abgeordnetenhaus, während die „U-Partei“, die Konservativen und die Liberalen die Mehrheit der Sitze für sich gewinnen konnten. In Kolumbien protegieren die Kongressabgeordneten die Kandidaten für die lokalen Wahlen und entscheiden darüber, wer von diesen die besten Chancen hat.
Aus diesem Grund stehen die Grünen derzeit vor einer bedeutsamen Entscheidung: Wie bereitet man sich am besten angesichts der Tatsache vor, dass es von nun an darauf ankommt, ob ihr politischer Impuls im Sande verläuft oder ob die Partei überlebt und zu einer Kraft anwächst, der es gelingt, das traditionelle Zweiparteiensystem aufzubrechen. Abgesehen von der Wiederwahl Álvaro Uribes und dessen „U-Partei“ hatten Außenseiter in der Geschichte Kolumbiens nur sporadisch Erfolg, wodurch sich auch keine dauerhaften Parteistrukturen herausbilden konnten. Luis Carlos Galán ist es nur ein einziges Mal in seiner politischen Laufbahn gelungen, für das Präsidentenamt zu kandidieren. Das war 1982 für seine Partei Nuevo Liberalismo – und vier Jahre bevor er sich den Liberalen anschloss. Die Stärke, die Noemí Sanín 1998 mit Sí Colombia erreicht hatte, war vier Jahre später verblasst und schwand während der letzten Wahlen noch weiter, nachdem sich die Bewegung der Konservativen Partei angeschlossen hatte. Deshalb entscheidet das weitere Vorgehen der Grünen in diesem Jahr über die Chancen der Partei, bei den Wahlen weiterhin entscheidend mitzumischen und auch langfristig von der offensichtlichen Unzufriedenheit der Bürger mit der traditionellen Politik und den alteingesessenen Parteien profitieren zu können.
Als Erstes muss eine Strategie entworfen werden, die eine Zusammenarbeit der führenden Kräfte der Partei im Einklang mit ihrem Motto „Einigkeit macht stark“ erlaubt, denn hierin hat man bereits Seriosität und Verhandlungsfähigkeit gezeigt. Seit der offiziellen Gründung der Grünen Partei im Oktober 2009 haben die Wahlkampfteams von Lucho Garzón und Enrique Peñalosa Hand in Hand gearbeitet. Keine Rede mehr von „Luchismo“ oder „Peñalosismo“. Die Führungsriege von Mockus‘ Visionarios stand – obgleich sich die Bewegung eine gewisse Unabhängigkeit erhalten hat – an der Spitze des politischen und programmatischen Aufbaus der neuen Partei und hat ihre Räumlichkeiten als Parteisitz zur Verfügung gestellt. Im April schloss sich Fajardo an. Er sprach nun nicht mehr von seiner Bewegung Compromiso Ciudadano por Colombia, deren Zustimmungswerte gerade wieder nach oben gegangen waren, und wurde ein „Grüner“. „Wir demobilisieren uns selbst, damit wir wie Grüne denken“, kommentiert ein ehemaliges Führungsmitglied von Opción Centro.
Dennoch sieht die im letzten Jahr gegründete Partei nicht so aus, wie man sie heute bräuchte. Bei der Aufstellung der drei ehemaligen Bürgermeister vor sieben Monaten ging man von einer kollektiven Parteiführung aus, wobei Mockus, Peñalosa und Garzón jeweils einen Anteil von 20 Prozent an der nationalen Parteiführung zukommt und der ehemaligen Opción Centro die verbleibenden 40 Prozent. Nach Gesprächen mit Compromiso Ciudadano am 24. Juli bereitet Fajardo derzeit seine offizielle Fusion mit den Grünen vor. Entsprechende Erklärungen hat er bereits abgegeben. So heißt es in seinem Twitter-Account: „Wir werden der Grünen Partei Kolumbiens eine Struktur geben, um 2011 für den Sieg zu kämpfen.“ Der Zusammenschluss mit Compromiso Ciudadano und die Tatsache, dass die Grünen bereits Sitze im Kongress innehaben, zwingen zu einer Neudefinition im Sinne einer ausgewogenen Machverteilung in der Parteiführung. „Wir werden unser Ziel erreichen, aber als Gleichberechtigte“, meint ein Befürworter des ehemaligen Bürgermeisters von Medellín.
Außerdem muss die Partei von nun an in der Wahrnehmung der Bürger und Politiker viel mehr als nur ein Zusammenschluss von vier ehemaligen Bürgermeistern sein. Der Aufbau von regionalen und lokalen Strukturen, die den acht Kongressabgeordneten zugeordnet sind, ist für das Überleben der Partei unabdinglich. Ein Komitee, bestehend aus der ehemaligen Abgeordnetenkandidatin Angélica Lozano, dem Anwalt Enrique Borda, der ehemaligen Chefin des Wasserversorgungsunternehmens von Bogotá Astrid Álvarez sowie der rechten Hand von Mockus, Liliana Caballero, arbeitet bereits erfolgreich daran.
Für den Parteikongress im August werden insbesondere Entscheidungen darüber erwartet, wie die Auswahl der Kandidaten für die Bürgermeisterämter, Gemeinderäte, Parlamente und Regierungsbezirke konkret erfolgen soll. Wie soll die Allianzpolitik aussehen? Können die Grünen mit anderen politischen Kräften und Bewegungen koalieren? Wird man sich an überparteilichen Gesprächen beteiligen? Das sind nur einige der Fragen, deren Beantwortung noch aussteht – umso mehr, als man das Ideal verfolgt, eine Partei auf demokratische Weise aufzubauen.
Doch die Zeit drängt, zumal bereits vereinzelt Kandidatenvorschläge laut werden. Für das Bürgermeisteramt von Bogotá bestand seit dem vergangenen Jahr eine Art taktische Übereinkunft darüber, dass Enrique Peñalosa als Kandidat der Grünen antreten könnte. Es hieß, dass die innerparteilichen Tendenzen darauf hinweisen, dass Mockus die nationale Bühne bevorzuge, Peñalosa die lokale und Lucho sich damit begnüge, was für die Partei am besten ist. Nach dem Wahlkampf um das Präsidentenamt hat jedoch eine Gruppe von Visionarios den Namen von Mockus Ehefrau, Adriana Córdoba, als Kandidatin für das Bürgermeisteramt in Bogotá ins Spiel gebracht.
Bei den Grünen gibt es bereits den Präzedenzfall einer offenen Konsultation; jetzt muss man sehen, ob sich ein solches Modell als geeignet für die Ernennung der Kandidaten für 2011 erweist, ob sich die entsprechenden Kandidaten für eine kollektive Parteiführung aufstellen, oder ob man sich für ein anderes Vorgehen entscheidet, um Zustimmung und Beitritte zu erzielen. „Viele Politiker, die für eine Erneuerung im Land eintreten, wollen unsere Reihen verstärken. Das wissen wir“, so Prada. Gleichzeitig betont er aber, dass die Grünen vor allem lokale Interessen vertreten wollen. So werden bereits die Namen von Persönlichkeiten wie Judith Pinedo und Jorge Iván Ospina gehandelt, die die Partei verstärken könnten, sobald sie ihre Bürgermeisterämter in Cartagena bzw. Cali abgegeben haben.
Derzeit stellen die Grünen 200 Gemeinderäte und 25 lokale Bürgermeister, die Opción Centro bei den Wahlen 2007 erringen konnte. Hinzu kommen eine kleine, aber solide Anzahl an Sitzen im Parlament und die mehr als 4.000 führenden Mitglieder der Wahlkampfkampagne von Antanas Mockus. Damit verfügen die Grünen über eine gute Ausgangsbasis. Vor allem aber wird sich zeigen, ob die dreieinhalb Millionen Wähler vom 20. Juni für das Ende einer enthusiastischen Bewegung stehen oder für den Beginn einer Partei, die die Demokratie in Kolumbien prägen wird.
Original-Beitrag aus La Semana vom 10.07.2010, (Ausgabe 1471). Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift.
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Übersetzung aus dem Spanischen: Franziska Pfab
Bildquellen: [1] Wahlplakat der Partido Verde; [2] Ricardo Stuckert, Agencia Brasil
Eine guenstige Entwicklung fuer Kolumbien.