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UN-Drogenkonferenz Ehrgeizig und weltfremd

Jan Meine | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Eine „drogenfreie Welt“ schwebte den Vertretern der 185 UNO-Mitgliedsstaaten während der UN-Drogenkonferenz Anfang Juni diesen Jahres in New York vor. Einig wie selten, gab sich die Staatengemeinschaft während der Sondervollversammlung über das Weltrauschgiftproblem: Erklärungen und Aktionsprogramme, insgesamt sechs, wurden ohne nächtliche Diskussionen verabschiedet, da die Verhandlungen bereits im Vorfeld abgeschlossen waren, wurde das Plazet den Staatschefs überlassen. Auf sechs Schwerpunktthemen haben sich die 185 UNO-Mitgliedsstaaten geeinigt: Der Anbau, Handel und Konsum von Drogen wie Kokain, Heroin und „Ecstasy“ soll bis zum Jahr 2008 weltweit „ausgemerzt oder drastisch reduziert werden“. Der Kampf gegen die Geldwäsche soll erneut und verstärkt aufgenommen werden: Nach UNO-Schätzungen erwirtschaften die internationalen Kartelle rund 400 Milliarden US-Dollarjährlich, welche noch weitgehend problemlos in den legalen Finanzkreislauf gelangen. Die verabschiedeten UNO-Dokumente „empfehlen“ allen Staaten, bis zum Jahre 2003 Gesetze gegen Geldwäsche einzuführen und nicht vor deren Anwendung zurückzuschrecken. Das Zurückdrängen von Amphetaminen sowie der Modedroge „Ecstasy“ wurde auf der Prioritätenliste nach oben verschoben. Eine verbesserte Kontrolle von Chemikalien, die für die Verarbeitung der Drogenrohstoffe nötig sind, soll in Ländern der Chemieproduktion erfolgen. Weiter vertief! werden soll auch die internationale Rechtshilfe sowie die polizeiliche Zusammenarbeit. Mit der dreitägigen Konferenz in New York wurde ein weiterer Abschnitt im glücklosen Drogenkrieg begonnen.

„Drogen töten unsere Jugend und unsere Zukunft“, mahnt UNO-Generalsekretär Kofi Annan. „Wir brauchen eine internationale Antwort auf die Globalisierung des Drogenhandels“. Hinter dem Programm für das 21. Jahrhundert stecken allerdings die Illusionen von gestern, nur das Datum ist neu. „Bis zum Jahr 2008“ heißt es in den UNO-Dokumenten, soll nun „die drastische Verringerung sowohl des illegalen Drogenangebots als auch der Nachfrage“ gelingen. So soll in den nächsten zehn Jahren der Anbau von Kokasträuchern, Schlafmohn und Cannabis abgeschafft oder erheblich eingeschränkt werden. In jahrelangen, oft mit Militär geführten Kämpfen gelang es den Anti-Drogenkriegern in Asien und Lateinamerika bisher nur, die Anpflanzungen von einer Region in eine andere zu verlagern. Bestenfalls wanderte die Produktion von einem Land in den Nachbarstaat: Die Zerstörung von Kokafeldern in Peru führte zu ausgedehnten Neuanpflanzungen in Kolumbien. In Lateinamerika gibt es drei Länder, in denen Koka angebaut wird, die für den Weltmarkt bestimmt ist: Peru mit einer Jahresproduktion von 118.000 Tonnen, Bolivien mit 93.000 Tonnen und Kolumbien mit 91.000 Tonnen. Weiterhin wird in zwei Ländern Opium angebaut: In Kolumbien mit einer Jahresproduktion von 63 Tonnen und in Mexiko mit 54 Tonnen (andere Länder in Lateinamerika können der geringen Produktion wegen vernachlässigt werden). Bolivien ist damit nach Peru der zweitwichtigste Produzent von Kokablättern, dem Grundstoff für die Kokainherstellung. Nach Berechnung des US State Departements kommt der Löwenanteil der bolivianischen Kokaproduktion aus dem Chapare, im letzten Jahr schätzungsweise 60.000 Tonnen. Das entspräche rein rechnerisch rund 150 Tonnen Kokain-Hydrochlorid, 15 Prozent der geschätzten Weltproduktion. Zu Großhandelspreisen in den USA wären das wenigstens 1,5 Milliarden Dollar, eine Summe, die für den Straßenverkauf noch mit 100 zu multiplizieren ist. Die jährliche Drogeneinnahmen Boliviens werden derzeit offiziell mit 130 Millionen Dollar angegeben. Die Kokabauern jedenfalls bekommen von diesem Geld nur einen winzigen Bruchteil ab. In Wirklichkeit weiß freilich niemand, wie viel Koka wo, bei welchen Hektarerträgen, mit welchem Alkaloidgehalt angebaut wird, unter welchen Bedingungen daraus letztendlich wie viel Kokain extrahiert und wieviel davon schließlich zu welchen Preisen abgesetzt wird. Man weiß nur, daß jährlich weltweit etwa 300 Tonnen beschlagnahmt werden. Darüber hinaus bleiben Versuche, die illegale Drogenökonomie in Zahlen zu fassen, in hohem Maße spekulativ. Die Umsetzung des UNO-Drogenprogramms hätte Auswirkungen auf die Bauern, die Opiate anbauen, sie wären die ersten Leidtragenden. Die Krise der Landwirtschaft und der Niedergang des Bergbaus zwingen sie, Kokasträucher anzubauen. Die Etablierung alternativer Landwirtschaft ist sehr oft im Vorfeld zum Scheitern verurteilt: Die Qualität der Böden ist meist nicht ausreichend für Exportfrüchte, und die Erntefolgen sind niedriger als hei Kokasträuchern.

Trotz aller Resolutionen der UNO floriert das Geschäft mit Rauschgift. Daß die Vereinten Nationen dennoch an ihrer erfolglosen Strategie festhalten, liegt vor allem an der UNO-Drogenkontrollstclle (UNDCP – United Nations International Drug Control Programme), welche an orthodoxen Bekämpfungsmethoden gegen das Rauschgiftproblem festhält und mit Starrsinnigkeit Alternativen boykottiert. Die UNDCP mit Hauptsitz in Wien und 272 Mitarbeitern in Büros in 20 Ländern der Erde wurde 1990 gegründet und soll das beschlossene Antidrogenprogramm umsetzen. Daß mit Gewalt und starken Sprüchen die Probleme nicht zu lösen sind, zeigt etwa ein US-Kongreßbeschluß aus dem Jahr 1988. Darin proklamierten die Volksvertreter „ein drogenfreies Amerika“ – für das Jahr 1995.

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