16. August 2006
¡Hola!, ¿como están?
Nun denn, morgen in der Frühe geht’s nun also mit meinen beiden compañer@s los in das erste Dorf. Wo genau dieses liegt, wie es heißt und welche Menschen dort leben, kann ich euch allerdings leider nicht direkt schreiben, da das Postgeheimnis vía Internet nicht gerade das höchst geschätzte Freiheitsgut ist.
Dennoch hier etwas zur Geschichte und zum Konflikt.
Die kleine Gemeinde befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen Finca. Die Menschen leben bereits seit mehr als 30 Jahren dort in Autonomie, da Teile des Landes auf Grund eines fehlenden Erben nicht in Nutzung sind. Einer aus der Führungsriege der größten paramilitärischen Organisation in Chiapas (übersetzt: Frieden und Gerechtigkeit) beanspruchte das Land nun vor knapp zehn Jahren als sein Eigentum, obwohl er gegenüber den indigenen Bewohnern der Gemeinde niemals einen Kaufvertrag oder sonstiges vorweisen wollte bzw. konnte. 1998 wurde die Gemeinde das erste Mal geräumt mit der Unterstützung der staatlichen Sicherheitspolizei. Jeglicher Besitz sowie alle Häuser wurden zerstört und die Familien vertrieben. Nach zwei Monaten der Suche nach neuem Land kehrten die Menschen schließlich wieder zurück und begannen mit dem Neuaufbau der Gemeinde. Nach einer Verschärfung der Repressionen 1999 durch den Aufbau von Paramilitärs in der Region kämpften die Menschen seit 2000 in Selbstorganisation und mit der Unterstützung anderer regionaler Organisationen vor dem Agrarministerium für die Klärung der Besitzverhältnisse und die Übertragung des Landes. Allerdings erfolglos.
Im August des Jahres kam es zudem zur zweiten Räumung der Gemeinde. Wahllos wurde dabei auf und in die Häuser geschossen. Wären die Menschen nicht schon vorher in die Berge geflohen, hätte es ein Massaker gegeben. Auch dieses Mal wurden sämtliche Gebäude zerstört und jeglicher Besitz vernichtet.
Der vermeintliche Eigentümer des Landes übertrug nachträglich Sympathisanten des Paramilitärs Teile der Gemeinde und verkleinerte die Fläche für Anbau und Lebensraum der unabhängigen Familien auf fast die Hälfte. Dieser Umstand führte nun zur Spaltung der Gemeinde und stellt gleichzeitig ein enormes Konfliktpotenzial dar.
Seit 2000 kommt es immer wieder zu neuen Drohungen gegenüber den unabhängigen Familien. Besonders betroffen von der ständigen Repression sind hierbei vor allem die Frauen. Obwohl die Verantwortlichen des Überfalls während der zweiten Räumung identifiziert sind und auch bei nachträglichen Vorfällen Anzeigen gegen bekannte Leute erhoben wurden, findet keine Strafverfolgung statt.
Seit ungefähr drei Jahren werden nunmehr ohne lange Unterbrechungen Menschenrechtsbeobachter in die Gemeinde gesandt, so dass es in dieser Zeit zu keinen weiteren gewalttätigen Räumungen kam.
Die Gemeinde ist im übrigen keine zapatistische Gemeinde (auch wenn sie mit der Bewegung sympathisiert), noch gehört sie der Volksgruppe der Abejas (Die Bienen) an, in deren Dörfer auf Grund gravierender Menschenrechtsverletzungen in der Vergangenheit ebenfalls Beobachter entsandt werden. Aber dazu dann mehr, wenn ich mal in eine solche Gemeinde fahre.
Nun gut, ich bin mal gespannt. In zwei Wochen melde ich mich wieder und dann berichte ich auch über die derzeitige Situation. Auch wenn sich das alles mehr oder weniger nach Herzklopfen anhört, denke ich, wird das auf jeden Fall eine interessante Zeit. Die Berichte der anderen Beobachter klangen zumindest ziemlich gut und auch den Beobachtern selbst soll es wohl nur an Wenigem mangeln (zum Beispiel gibt es einen kleinen Laden), auch ist bisher den vielen anderen Beobachtern nichts passiert…
Also ab in den Dschungel!
¡Mil Saludos y hasta pronto!
Die Lise+Lotte