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Den Sack schlägt man, den Esel meint man Ein kolumbianisches Märchen

Heidrun Zinecker | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Bisher konnte man glauben, in Kolumbien gebe es eine Unzahl von miteinander auf komplizierte Weise verflochtenen Gewalt-Konflikten, deren Wurzeln weit in die Vergangenheit und tief in die Strukturen des Landes hineinreichen. Das heißt, so dachte man mit resignierter Verzweiflung, es handele sich um einen Gewaltdrachen, von dem man keinen Kopf abschlagen könnte, ohne fürchten zu müssen, daß dieser sofort nachwachse ….

Aber nun gibt es ja endlich das Zaubermittel, einen kinderleichten Plan. Plan Colombia genannt, vor dem Egon glatt vor Neid erblassen würde, wäre er nicht ein so friedfertiger Zeitgenosse. Kolumbien muß nur diesen Plan streng befolgen – und in genau sechs Jahren ist die Gewalt „ratzekahl“ weg. „Ratzekahl“ ist dabei durchaus wörtlich zu nehmen: Denn das Land bliebe ohne jene menschliche und pflanzliche Wesen, die sich nicht vor Herbiziden und Black Hawks in Sicherheit bringen konnten. Das sind nämlich die beiden Wundermittel, welche die Schöpfer des Zauberplanes, das präsidentiale Recken-Duo Clinton und Pastrana, zur Ausrottung des Bösen der Drogenkulturen und der Guerilla – vorgesehen haben. Wäre dieser Plan nicht so geheim gewesen und nicht zuerst in englisch verlaßt worden, wäre das „ratzekahle“ Kolumbien womöglich noch schneller zu haben gewesen. Inzwischen jedoch haben einige Kobolde ihr Unwesen getrieben und den Plan ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt, d.h. sie haben dabei festgestellt, daß es je nach Adressat der US-amerikanische Kongreß, die Europäische Union und. man staune, sogar Kolumbien selbst – mindestens drei Pläne gab, von denen sich Gott sei Dank inzwischen der einzig „wahre“ und „richtige“ durchgesetzt hat. der nur noch vom blumigen Amerikanisch ins schnöde Spanisch zu übertragen war.

Während die für Europa vorgesehene Version des Planes Menschenrechte und alternative Entwicklung in den Vordergrund stellt, die Variante für Kolumbien den Frieden zwischen Guerrilla und Staat und die Lösung der diesem Konflikt zugrundeliegenden sozialen Probleme zum Dreh- und Angelpunkt der Problemlösung erhebt, erklärt die „richtige“ Version des Planes, der am 13. Juli 00 vom US-amerikanischen Kongreß bestätigte Plan for Peace, Prosperity, and the Strengthening of the State, der eigentlich besser als Plan Washington zu bezeichnen ist, weil er zwischen Juni und September 1999 unter Federführung des US-State-Departments ausgearbeitet worden war, das Drogenproblem, darunter vor allem den illegalen Drogenanbau, zum Ursprung aller Gewalt. Dies wird allein schon darin deutlich, daß – im Vergleich zur für Kolumbien vorgesehenen Version – im Plan Washington das Kapitel zur Antidrogenstrategic im Text nach vorn und der dem (Friedensprozeß gewidmete Abschnitt ganz nach hinten gerückt ist. In Kurzfassung heißt die Logik des „richtigen“ Planes: Man nehme Herbizide, eventuell gar die besonders effiziente Pilzkultur fusarium oxysporum, rotte damit die Koka- und Schlafmohnkulturen zunächst in Putumayo (innerhalb eines Jahres), später im Südosten (in zwei oder drei Jahren) und dann im ganzen Land (in drei bis sechs Jahren) mit Stumpf und Stiel aus. beraube damit die Guerilla, vor allem die FARC, die im Süden des Landes ihres Basis haben, ihrer finanziellen Ressourcen und, sollte diese sich widersetzen, gebe man noch ein paar Kugelladungen aus gepanzerten Kampfhubschraubern hinzu – und schwuppdiewupp- Kolumbien ist gewaltfrei. Eigenartig ist nur, daß die Gewalt in diesem Land um Jahrzehnte älter ist als dessen Engagement im Drogenhandel und der Anbau von Kokain und Schlafmohn erst ab Mitte der 80cr Jahre relevant wurde, als die FARC schon zwanzig Jahre bestanden. Aber es ist ja so schön einfach, die Drogen als die Ursache allen Übels in Kolumbien, Kolumbien als die Ursache des Drogenproblems in den USA und eine militärische US-Intervention in Kolumbien als die Lösung aller Probleme gleich beider Länder darzustellen.

Der „war on drugs“ ist keine Erfindung Clintons, Nixon war der Autor des Konzepts. Neu ist also auch dies nicht -den Drogen-Sack schlagen zu wollen und – zumindest auch -den Guerrilla-Esel zu meinen, wenn es auch nach dem Ende des Kalten Krieges noch eine neue Legitimation für eine Intervention braucht. Das „neue“ Sicherheitsproblem der USA – die Drogen — „schiebt sich“ in der US-amerikanischen Lesart über das „alte“ Sicherheitsproblem-den Kommunismus bzw. „dessen“ Guerilla – und es ist natürlich viel bequemer, beide Probleme nicht nur in ein und demselben Land, sondern auch noch in ein und derselben Region, und zwar genau dort zu „haben“, wo die FARC ihre 42.000 qkm große „zona de distensión „besitzen, die sie kontrollieren, ein Zugeständnis Pastranas an die FARC, das den hardlinern schon immer mißfallen hat. Und es ist auch ein viel „integralerer“ Ansatz, den „Feind“ nunmehr, seit Mitte der 90er Jahre, nicht mehr in den großen Drogenhändlern zu sehen, sondern in den kleinen Kokabauern. Na ja, und Panama, im Norden von Kolumbien, bietet ja nun nach der Rückgabe des Kanals auch nicht mehr den nötigen militärischen Schutz vor der kolumbianischen „Gefahr“, und die einst dort stationierten GIs müssen ja irgendwohin.

Die vom Plan Colombia für dieses und das nächste Jahr vorgesehene US-Hilfe von 1,3 Milliarden Dollar geht zu 85 Prozent an die kolumbianischen Streitkräfte, vor allem an die Batallones Antinarcóticos. Die Polizei ist ihrer diesbezüglichen inneren Funktion 1998 enthoben worden. Für die Unterstützung des Friedensprozesses ist nicht einmal l Prozent vorgesehen. Der Plan autorisiert auch den US-Präsidenten, wenn er es für nötig hält, eigene Truppen in Kolumbien landen zu lassen. Die FARC haben bereits verkündet, wie sie darauf regieren werden – mit „Blei“. Was wird sein, wenn die vom Plan vorgesehenen sechs Jahre um sind, aber Drogenanbau und Gewalt widerstanden haben und die neue US-Administration sich genötigt sehen wird, „etwas“ dafür zu tun. um nicht ihr Gesicht zu verlieren?

Über Pastrana wird gewitzelt, er habe seinen Wohnsitz eigentlich in den USA und komme nur ab und zu zum Regieren nach Kolumbien. Dennoch ließ sich es Clinton nicht nehmen (als erster Demokratischer Präsident nach J. F. Kennedy), Kolumbien am 30. August 00 einen Besuch abzustatten und seinem Freund – wenn auch nur für ein paar Stunden -auch einmal in dessen Land zu treffen. Pastranas Vorgänger im Präsidentenamt, Samper, hatte derselbe Clinton seinerzeit noch das Visum verwehrt. Wie hätte da der Zauberplan auch schon entstehen können? Aber nun ist er ja da.

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