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Blutiges Land

La Semana | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten

Kolumbien (Region Urabá) - Blutiges Land - Foto: Virginia ZuluagaJetzt, wo die Debatte über die Rückgabe der Ländereien an die Vertriebenen begonnen hat, scheint das Verbrechen an Hernando Pérez, einem der Anführer der Vertriebenen, auf makabre Weise zeigen zu wollen, dass der bevorstehende Kampf ein blutiger sein wird.

Am vergangenen Sonntag [19.09.2010, Anm. der Red.] wurde in Turbo (Region Urabá) allerorts gefeiert. Der Minister für Landwirtschaft, Juan Camilo Restrepo, gab 34 Eigentumsurkunden an Familien zurück, die von Paramilitärs enteignet worden waren. Das ist ohne Zweifel eine sehr gute Nachricht, da die Region zu den am stärksten von solchen kriminellen Praktiken betroffenen Gebieten zählt. Unter den Anwesenden war auch Hernando Pérez, ein 47-jähriger Bauer, Vater dreier Kinder und einer der Anführer der Organisation, die die Rückgabe von Land an weitere 25 Familien aus der Gemeinde La Ceibita, der Nachbargemeinde von Necoclí, fordert. Am Abend wurde Pérez auf dem Heimweg umgebracht. Nach Informationen der Gerichtsmediziner schlug man ihn mit verschiedenen Gegenständen zu Tode. Neben ihm wurden vier Patronen Kaliber 9 mm gefunden, die jedoch noch unbenutzt waren.

Die Nachricht von Pérez’ Tod löste Unruhe in der Region aus, in der 1.800 Familien von den Enteignungen betroffen sind und insgesamt 25.000 Hektar Land zurückfordern. In Necoclí hatte man verstanden, dass die vier am Tatort hinterlassenen Patronen eine makabre Botschaft an die verbleibenden vier Bauern waren, welche die Rückforderungen in der Gemeinde anführen. „Die Mörder haben diese vier Bauern im Blick, weil sie wichtige Informationen über die Rückforderungen der Ländereien haben“, erklärte Carmen Valencia, Vorsitzende des Vereins der Opfer für die Rückforderung von Land und Gütern (ASOVIRESTIB). Sogar der kolumbianische Vizepräsident Angelino Garzón teilte in einer Meldung mit, dass der Mord „eine Botschaft der Gewalttätigen sei, die vermeiden wollen, dass das Land wieder in die Hände der rechtmäßigen Eigentümer komme“.

Pérez ist bereits der zweite Anführer derselben Initiative, der innerhalb von weniger als vier Monaten getötet wurde. Zuvor wurde der Körper von Albeiro Valdés, auch unter dem Namen „Colombia“ bekannt, von Auftragsmördern durchsiebt und dann an der Stelle zurückgelassen, an der man auch Pérez fand. Beide hatten zuvor Morddrohungen erhalten und waren sowohl von der Polizei als auch vom Justiz- und Innenministerium als „normal gefährdet” eingestuft worden. Daher erhielten sie auch keinen Personenschutz. Ein weiterer unglücklicher Zufall ist, dass beide Opfer von Carlos Ardila alias „Carlos Correa“, dem Anführer der Paramilitärs und Gründer der AUC in Urabá in Antiquoia, wurden. Ardila starb nach seiner Demobilisierung. Er war ein Cousin von Pérez, kannte jedoch kein Mitleid, und nahm ihm seinen Hof El Diamante weg. „Am 25. Mai 1995 kam er auf unseren Hof, hielt uns über sieben Stunden lang eingesperrt und verbannte uns dann von unserem Land. Vier Jahre lang gab es keinen Ort, an dem wir bleiben konnten“, erinnert sich Libia Rozo, die Mutter von Hernando Pérez und Tante des Paramilitärs.

Noch unglaublicher ist allerdings, dass das Land, um das Valdés und Pérez bis zu ihrem Tod gekämpft hatten, sich noch heute im Besitz ihres Mörders befindet. Die 35 Hektar, die „Colombia“ gehört hatten, kamen in den Besitz des Großgrundbesitzers des Dorfes, von dem die Opfer sagen, dass er Strohmann der Paramilitärs sei. Die 24 Hektar, die Pérez einforderte, gehören heute dem Stiefsohn des Anführers der Paramilitärs.

Nach Aufzeichnungen der Beratungsstelle für Menschenrechte und Vertreibungen (CODHES) ist mit diesen zwei Verbrechen die Zahl der Opfer unter den Anführern von Enteigneten, die ihr Land zurückfordern, auf 39 gestiegen. Im vergangenen Jahr hatte es 300 Drohungen gegeben, die in direkter Verbindung zu den Entschädigungen und den Rückgaben von Land standen. Bislang blieben alle Aggressionen unbestraft, was den Mut der Anführer der Betroffenen nicht gerade stärkt.

Die Zeitung SEMANA befragte einige der 800 Opferorganisationen, die versuchen, ihr von den Paramilitärs gestohlenes Land wieder zu bekommen. Die Situation ist kritisch, und es gibt Anzeichen dafür, dass sie sich noch verschlechtern könnte. So wurden beispielsweise allein in El Valle fünf Anführer der Fundación Nuevo Amanecer ermordet, die 10.800 Mitglieder aus 16 Departamentos vereint, und die Angriffe und Drohungen gehen weiter. „Ich wurde bereits dreimal angegriffen, zum letzten Mal im März. Da schossen sie von einem Motorrad aus auf mich. Der einzige Schutz, den ich habe, ist ein Handy und eine kugelsichere Weste“, erzählt Carlos Sabogal, Anführer der Opfer in Líbano im Departamento Tolima. Ein ähnliches Unglück passierte Alfonso Reyes, dem es an Schutz mangelt, seit er vor Gericht eine Aussage machte, woraufhin der Bürgermeister und ein ehemaliger Bürgermeister von Morales im Departamento Bolívar festgenommen wurden. Vor knapp einem Monat wurde Beto Ufo Pineda, ein weiterer Anführer aus Cauca im Departamento Popayán, ermordet. In derselben Provinz wurde im Mai dieses Jahres Alexánder Quintero umgebracht, einer der im Massaker von El Naya Enteigneten und einer der Hauptzeugen dessen, was mit den Ländereien in diesem Teil des Landes geschah.

Das Absurde an der Sache ist, dass nichts unternommen wird, obwohl die Alarmglocken bereits seit einigen Jahren schrillen. So trauert man im Land weiterhin über Verbrechen, wie dem an Yolanda Izquierdo, der Anführerin der Gemeinschaft von Córdoba, im Jahr 2007 und über andere Verbrechen, wie dem der sechs Bauern aus dem Departamento Urabá oder dem der sieben Opfer von Curvaradó und Jiguamiandó. Im Departamento Chocó, einer der symbolhaftesten Fälle von Landrückgabe, fordern derweil seit 2005 etwa 1.500 Anführer von Vertriebenen einen verstärkten Schutz vom Justiz- und Innenministerium. Von ihnen bekamen nur 214 eine positive Antwort, und die meisten von denen erhielten für ihren Schutz ein Handy und eine kugelsichere Weste. In Necoclí wurde noch nicht einmal das erreicht.

Seit man im Kongress an dem Gesetz über Ländereien arbeitet, sind die dunklen Mächte im Land wieder erwacht. Denn, wenn das Gesetz verabschiedet wird, sind es nicht die Opfer, sondern die derzeitigen Eigentümer, die ihren Besitz rechtfertigen werden müssen. Die zur Zeit herrschende Gewalt ist der erste Teil des Weges, den das so sehr ersehnte Gesetz zurücklegen muss. Der Staat wird den Opfern, die sich noch immer in Gefahr befinden, seinen Schutz bieten müssen.

Original-Beitrag aus La Semana vom 24.09.2010 (Ausgabe 1482). Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift.

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Übersetzung aus dem Spanischen: Charlotte Navitzkas

Bildquelle: Virginia Zuluaga

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