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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Roque Dalton

Roque Dalton | | Artikel drucken
Lesedauer: 3 Minuten

einer der bedeutendsten mittelamerikanischen Lyriker des 20. Jahrhunderts; geboren am 14. Mai 1935 in San Salvador als uneheliches Kind einer Salvadorianerin und eines US-amerikanischen Geschäftsmannes; absolviert 1955 ein Jesuitenkolleg und tritt der illegalen KP El Salvadors bei; Jurastudium in San Salvador, dann in Santiago de Chile; gründet 1956 mit Otto Rene Castillo den „Circulo Literario Universitario“; 1961 wegen „staatsfeindlicher Aktivitäten“ zum Tode verurteilt, Urteil wird nach einem Machtwechsel vier Tage vor Exekutionstermin ausgesetzt; Exil in Mexiko und Kuba; 1974 Rückkehr nach El Salvador, schließt sich dem ERP an und wird am 10. Mai 1975 durch eine Fraktion dieser Guerilla-Organisation ermordet.

LIEBESGEDICHT

Die den Panamakanal ausbauten
(und klassifiziert wurden als „silver roll“, nicht „gold roll“),
die die Pazifikflotte reparierten
auf den Stützpunkten Kaliforniens,
die in den Gefängnissen von Guatemala Verfaulten,
von Mexiko, Honduras, Nikaragua,
als Diebe, als Schmuggler, als Gauner,
als Hungrige,
die immer und jeder Tat Verdächtigen
(„ich erlaube mir den Hinweis auf das Tötungsverbrechen
an einem, der verdächtig herumlungerte
und, strafverschärfend, auch noch Salvadorianer war“),
die Bardamen und Freudenmädchen
in allen Häfen und Hauptstädten der Region
(„Die blaue Grotte“, „El Calzoncito“, „Happyland“),
die, die mitten im Urwald fremder Länder Mais säten,
die Helden bluttriefender Schlagzeilen,
die, von denen keiner je weiß, woher sie kommen,
die besten Handwerker der Welt
die an der Grenze von Schüssen Durchsiebten,
die an Malaria Gestorbenen
oder an den Stichen des Skorpions oder dem gelben Bart
im Inferno der Bananenplantagen,
die, die betrunken zur Nationalhymne weinten
im pazifischen Wirbelsturm oder im Schnee des Nordens,
die in wilder Ehe Lebenden, die Bettler, die Grasraucher,
die Guanakos, Söhne der großen Hure,
die ohne die geringste Chance zurückgehen,
die mit etwas mehr Glück,
die, die ewig ohne Papiere herumlaufen,
die Machalles, Verkaufalles, die Frißalles,
die, die als erste das Messer zücken,
die Traurigen, die Traurigsten auf Erden,
meine Landsleute,
meine Geschwister.

 

„EL SALVADOR, LAND MIT HERZ“

Natürlich, ein bißchen kopflos.
Und (nach Meinung der Regierung Molina
und der Oligarchie)
ohne Magen.

 

ANGST

Ein einsamer Engel auf der Stecknadelspitze hört, da pinkelt einer.

 

ÜBER KOPFSCHMERZEN

Es ist schön, Kommunist zu sein,
auch wenn man davon ziemliche Kopfschmerzen bekommt.

Wobei die Kopfschmerzen der Kommunisten
sich historisch erklären, das heißt,
sie gehen nicht weg von Schmerztabletten,
sondern nur von der Errichtung des Paradieses auf Erden.
So ist das.

Unter dem Kapitalismus tut uns der Kopfweh,
und sie schlagen uns den Kopf ein.
Im Kampf für die Revolution ist der Kopf eine
Zeitzünderbombe.

Beim sozialistischen Aufbau
planen wir die Kopfschmerzen,
wodurch sie nicht weniger werden, ganz im Gegenteil.

Der Kommunismus wird, unter anderem,
ein Aspirin sein von der Größe der Sonne.

 

ICH LASS MICH AUF GESCHICHTEN EIN

Den Abend meiner ersten Parteizellenversammlung regnete
es
wie ich da triefte fand großen Beifall bei vier
oder fünf Gestalten aus dem Skizzenbuch Goyas
alle Welt machte einen leicht gelangweilten Eindruck
vielleicht der Verfolgung oder gar der täglich geträumten
Folter wegen.

Gründer von Gewerkschaftsverbänden und Streikführer
bewiesen
diese gewisse Heiserkeit sie erklärten mir ich müßte
ein Pseudonym wählen
ich hätte im Monat fünf Pesos zu entrichten
und wir würden so verbleiben daß jeden Mittwoch
und was denn mein Studium macht
und für heute würden wir uns eine Broschüre von Lenin
vornehmen
und es wäre nicht nötig ständig Genösse zu sagen.

Als wir gingen hatte der Regen aufgehört
meine Mutter schimpfte mit mir was ich denn so spät nach
Hause komme.

Sämtliche Gedichte übertragen von Klaus Laabs

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