Überblick: Hugo Banzer Suárez (10.5.1926 – 5.5.2002), gelangte 1971 durch einen Putsch an die Macht und regierte Bolivien diktatorisch bis 1978 (Periode bekannt als „Banzerato“). Der in diese Zeit fallende starke wirtschaftliche Aufschwung des Landes konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es unter Banzer zu etlichen Menschenrechtsverletzungen kam. Banzer blieb als Chef seiner Partei Acción Democrática Nacionalista (ADN) weiterhin politisch aktiv und wurde 1997 nach mehreren Anläufen (1979, 1980, 1985, 1989, 1993) als Präsident des Landes gewählt. Seine Amtszeit (bis 2001) war geprägt durch ein extremes, von den USA diktiertes Vorgehen gegen den illegalen Koka-Anbau sowie eine fortgesetzte wirtschaftsliberale Politik, die zu starken sozialen Spannungen in Bolivien führte.
I. Ausbildung und militärischer Aufstieg
Hugo Banzer Suárez wurde am 10. Mai 1926 als Nachfahre deutscher Einwanderer in Concepción im Departement Santa Cruz, im bolivianischen Tiefland geboren. Sein Großvater väterlicherseits diente im deutschen kaiserlicher kaiserlichen Heer und wanderte Ende des 19. Jahrhunderts aus Osnabrück nach Bolivien aus. Über Banzers Eltern scheint relativ wenig bekannt zu sein, außer dass bereits sein Vater in der bolivianischen Armee tätig gewesen ist.
Bevor Hugo Banzer mit 14 Jahren an der Militärakademie in La Paz angenommen wurde, besuchte er die Schule in Concepción und Santa Cruz. Die Akademie beendete er als Leutnant der Kavallerie. Im Laufe seiner militärischen Karriere durchlief er Ausbildungsstationen in Argentinien, Brasilien und den Vereinigten Staaten. Er absolvierte die Schule der gepanzerten Kavallerie in Fort Hood, Texas, sowie die Schule der Amerikas in der Panamakanalzone, wo er sich mit Auszeichnung auf den Anti-Guerilla-Kampf spezialisierte. 1963 wurde er als Militärattaché nach Washington entsandt, ein Posten mit Prestige und guten Kontaktmöglichkeiten, vor allem im militärischen Bereich. Während der Regierung von General Rene Barrientos diente er als Bildungs- und Kulturminister (1964-65) und als Militärattaché in Buenos Aires (1967-69). Unter der Militärregierung von Ovando Candía fungierte Banzer als Leiter der Militärakademie (1970-71) und der Militärschule „Oberst Gualberto Villarroel“ (1970).
II. Zivil-militärischer Putsch und Diktatur (1971-1978)
Unter der linken Militärregierung von General Juan José Torres González nahm Banzer, mittlerweile Oberst, an mehreren Putschversuchen gegen diese teil. Ein gescheiterter Umsturzversuch von 1971 zwang ihn nach Argentinien ins Exil, von wo aus er weitere Verschwörungen gegen Torres einfädelte. Eine gemeinsam mit exilierten Politikern aufgebaute anti-kommunistische Anti-Torres-Front führte mehrere klandestine Operationen in Bolivien durch. Banzer schaffte es innerhalb weniger Monate, die Unterstützung des Movimiento Nacionalista Revolucionario (MNR) von Ex-Präsident Victor Víctor Paz Estenssoro, der ultrakonservativen Falange Socialista Boliviana (FSB) und von etlichen Militärs zu erlangen. Im August 1971 kam es zum Putschversuch in Santa Cruz, bei dem Banzer, der heimlich ins Land gelangt war, festgenommen und nach La Paz verbracht wurde. Der trotzdem erfolgreiche Putsch führte schließlich – mit Tolerierung und Unterstützung der USA – zum Sturz von Torres und zur Installation einer Junta bestehend aus Banzer, Sélich Chop und Mendieta Vargas. Widerstände von Studenten, Arbeitermilizen und einigen Militärs in La Paz und anderen Städten wurden brutal niedergeschlagen. Die kurzlebige Junta ernannte Banzer, den eigentlichen Drahtzieher des Putsches, am 21. August 1971 zum Präsidenten der Republik.
Banzers Regierung setzte sich aus Führungspersönlichkeiten des MNR und der FSB zusammen, nicht wenige davon aus seiner Ursprungsregion Santa Cruz. In kurzer Zeit löste er die von Torres etablierte Volksversammlung auf, verbot die linken Parteien wie auch die Gewerkschaft Central Obrera Boliviana (COB) und schloss bis Ende 1972 die Universitäten. Anfang 1972 ließ Banzer, zur Freude Washingtons, – berechtigt oder nicht – fast alle sowjetische Diplomaten unter dem Vorwand des Spionageverdachtes aus Bolivien ausweisen.
Neben der Vergrößerung der Armee ging er dazu über, das Land mittels einer liberalen Gesetzgebung für ausländisches Kapital attraktiv zu machen und initiierte einen 5-Jahres-Plan für soziale und wirtschaftliche Entwicklung. Unter Druck des Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde der Peso 1972 vom Verhältnis 1:12 auf 1:20 gegenüber dem US-Dollar abgewertet. Diese und andere wirtschaftliche Maßnahmen Banzers führten zu Unruhen auf den Straßen, die von ihm mit militärischen Repressionen beantwortet wurden, wie dem Massaker von Tolata, Epizana, Mizque und Suticollo im Jahr 1974, bei dem dutzende indigene campesinos zu Tode kamen.
Der 1973 initiierte Fünfjahres-Plan entpuppte sich als eine Reihe liberaler ökonomischer Reformen, begleitet von sozial-populären Maßnahmen, wie einem Schulbau-Programm und einer Sozialversicherung für die indigene Bevölkerungsmehrheit. Der Plan gestaltete sich auch ohne großes Zutun Banzers mehr oder weniger erfolgreich, und Bolivien erlebte zwischen 1974 und 1975 einen ökonomischen Aufschwung. Das hing vor allem mit den gestiegenen Erdöl- und Zinn-Preisen sowie einem Anwachsen der Erdgas- und Landwirtschafts-Exporte (hauptsächlich Zucker und Baumwolle aus der Region Santa Cruz) zusammen.
Verschiedene Entwicklungs- und Infrastrukturprojekte wurden mit ausländischen Krediten finanziert, die zwar das wirtschaftliche Wachstum ankurbelten, aber zu einer ernormen Verschuldung Boliviens führten. 1978 beliefen sich die finanziellen Verbindlichkeiten des Landes auf 94 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und mehr als das Vierfache der Exporteinnahmen. Banzer stieg durch die eingeleiteten Maßnahmen allerdings zum Liebling der davon profitierenden Mittelklasse auf. Aus dem größten Handelsüberschuss der bolivianischen Geschichte konnten vor allem Importeure, Fabrikanten und die Agroindustriellen in der Region Santa Cruz Gewinne ziehen.
Im November 1974 unternahm er aufgrund innenpolitischer Spannungen, in deren Folge er mit seinen zivilen Verbündeten brach, einen autogolpe (Selbstputsch). Daraufhin wurden alle politischen Parteien und Gewerkschaften verboten. und Banzer regierte nur noch per Verordnung. Er folgte dem brasilianischen Modell nach 1964, welches autoritäre Herrschaft mit wirtschaftlicher Entwicklung kombinierte. Sowohl ökonomisch wie auch diplomatisch orientierte sich Bolivien damit von seiner ursprünglich symbiotischen Beziehung zu Argentinien weg und wurde nun abhängig von Brasilien. Viele Bolivianer kamen jedoch zu der Überzeugung, dass die natürlichen Ressourcen ihres Landes durch die Wirtschaftsabkommen mit Brasilien an den großen Nachbarn ausverkauft würden.
Mehr als jeder andere bolivianische Präsident schien Banzer gewillt, mit Gewalt gegen seine Gegner oder Kritiker vorzugehen. Mit Unterstützung der Luftwaffe drang er in die San Andrés Universität in La Paz ein, erließ eine Zensur der Medien, setzte die Armee gegen streikende Minenarbeiter ein und verhaftete Dissidenten oder ließ sie abschieben. Die geschätzte Bilanz des banzerato beläuft sich auf mindestens 200 Tote, 3.000 Verhaftete und Tausende Bolivianer, die ins Exil gingen.
Der externe Schuldenberg, die blühende Korruption, die bei über 10 Prozent liegende Inflation, die gescheiterten Verhandlungen mit Chile über einen Pazifikzugang sowie der externe Druck der USA wegen der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen veranlassten Banzer 1977, das Regieren per Dekret einzustellen und Wahlen für das Jahr 1978 zuzustimmen, ohne bei diesen selbst anzutreten. Der von ihm bestimmte Nachfolger General Pereda Asbún gewann zwar die Wahlen; diese wurden jedoch aufgrund des offensichtlichen Wahlbetruges für ungültig erklärt. Pereda A. nahm die Niederlage aber nicht hin, stellte sich gegen seinen Mentor und drängte ihn am 21. Juli 1978 – Ironie des Schicksals – ebenfalls durch einen Putsch aus dem Amt.
III. „Demokratische Karriere“ und Präsidentschaft (1997-2001)
Die 1979 stattfindenden Wahlen, bei denen Banzer Dritter geworden war, wurden annulliert, nachdem keiner der Bewerber eine Mehrheit erhalten hatte. Banzer kandidierte bei den Wahlen von 1980 erneut für die von ihm 1979 ins Leben gerufenen Partei ADN und erreichte wiederholt nur den dritten Platz. 1985 trat er bei den Präsidentschaftswahlen gegen Paz Estenssoro (MNR) an und holte die relative Mehrheit der Stimmen (33 % für Banzer gegenüber 30 % für Paz), aber Aber der Kongress entschied sich gegen ihn und für Paz Estenssoro. Der 1985 eingegangene „Pakt für Demokratie“ zwischen ADN und MNR sicherte Paz Estenssoro eine parlamentarische Mehrheit gegenüber der Unidad Democrática y popular (UDP) und ließ Banzer auf Unterstützung des MNR bei den nächsten Wahlen hoffen. Bei diesen wurde Banzer 1989 Zweiter hinter Sánchez de Lozada, sicherte mit seinen Stimmen aber Paz Zamora vom Movimiento de Izquierda Revolucionario (MIR) die nötige Parlamentsmehrheit für die Präsidentschaft. Da der MNR sein Versprechen nicht gehalten hatte, arrangierte sich der ADN im Acuerdo Patriótico mit dem MIR, was Banzer die Juniorpartnerschaft in der Regierung 1989-1993 einbrachte. 1993 verlor Banzer erneut gegen Sánchez de Lozada und ging damit zwischen 1993-1997 in Opposition zum MNR. 1997 gelang es dem ehemaligen Diktator aber endlich, erneut die Macht zu erlangen, diesmal auf demokratischem Weg. Sein Wahlsieg fiel allerdings äußerst knapp aus. Der ADN holte selbst nur 22 Prozent der Stimmen, koalierte aber mit den Parteien Conciencia de Patria (CONDEPA), MIR und Unidad Civica Solidaridad (UCS), was Banzer eine komfortable Mehrheit sicherte.
Seine Amtszeit, die im Zeichen eines „Nationalen Dialoges“ stand, war gekennzeichnet von anhaltenden wirtschaftlichen und politischen Problemen des Landes (u.a. Armutsbekämpfung und Entschuldung), die Jahre 2000 und 2001 geprägt durch Unruhen und Blockaden (z.B. Wasserkrieg von Cochabamba 2000, Streiks von Polizeieinheiten und Lehrern für höhere Gehälter, Straßenblockaden der Kokabauern 2002), denen die Regierung Banzer weitestgehend handlungs- und entscheidungsunfähig gegenüberstand. Ein weiterer „Höhepunkt“ der Banzer-Regierung war das unnachgiebige Vorgehen gegenüber den als illegal eingestuften Koka-Anpflanzungen, v.a. in der Region Chapare. Diese von den USA initiierte und unterstützte Null-Koka-Politik, ausgeführt von Militäreinheiten, brachte zwischen 1997 und 2000 eine „Ausradierung“ von 43.000 Hektar Koka. Etliche Kabinettsumbildungen, Korruptionsvorwürfe und eine inkonsistente Politik konfrontierten Banzer ziemlich schnell mit von der Opposition vorgetragenen Rücktrittsforderungen, denen er sich aber aufgrund der Unterstützung durch die USA und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) entziehen konnte. Ein Krebsleiden, für dessen Behandlung sich Banzer in den USA aufhielt, zwang ihn schließlich am 6. August 2001, dem Nationalfeiertag Boliviens, von der Präsidentschaft zurückzutreten. An der Krankheit starb er schließlich am 5. Mai 2002 in Santa Cruz im Alter von 75 Jahren.
IV. Fazit
Banzer gilt als eine der kontroversesten politischen Personen des Landes. Er regierte Bolivien länger als jeder andere Präsident oder Führer des Landes im 20. Jahrhundert. Während die Diktatur von schweren Menschenrechtsverletzungen geprägt war, verteilte er später Land an campesinos. Er wurde stark für die Militarisierung der Politik kritisiert und machte 1978, wenn auch nicht ganz freiwillig so doch unter Gewaltverzicht, den Weg in Richtung eines demokratischeren Landes frei. Er diversifizierte Boliviens Wirtschaft und Handelspartner – allerdings zu hohen Kosten. In Kürze: er war und bleibt ein äußerst widersprüchlicher Politiker. Um legitim gewählter Präsident zu werden, musste er die Bolivianer davon überzeugen, nicht mehr dieselbe diktatorische Figur der 1970er Jahre zu sein. Seine Vergangenheit holte ihn allerdings wieder ein. 1999 vorgebrachte Beweise zeigten die Verbindungen des Banzer-Regimes zu den grenzübergreifenden Aktivitäten der Operación Condor, einer groß angelegten Geheimdienstoperation, mit der die Militärdiktaturen des Südkonus, Brasiliens und eben auch Boliviens weltweit oppositionelle Kräfte verfolgen, verschleppen und ermorden ließen. Banzer leugnete trotz schwerwiegender gegenteiliger Beweise stets, davon Kenntnis zu haben. In seiner Abschiedsrede vom 6. August 2001 rechtfertigte er die in den 1970er Jahren begangenen Menschenrechtsverletzungen mit dem damals herrschenden politischen Ausnahmezustand, bat aber gleichzeitig bei denen, die Unrecht erlitten hatten, um Versöhnung.
Empfohlene Literatur:
Es gibt keine autorisierte Einzelbiographie zu Hugo Banzer. Erwähnenswert ist das Buch von Martin Sivak: El Dictador Elegido: Biografia No Autorizada De Hugo Banzer Suarez, 2001 bei Plural Editores erschienen.