Die Einheimischen sagen, dass Mexiko die Erde der Magie ist, denn dort sei alles möglich. Guanajuato ist aus historisch-kulturellem Blickwinkel eine der wichtigsten Städte des Landes, deren besonderer Charme Touristen aus der ganzen Welt anzieht. Damit steigt jedoch nicht nur die Popularität der Stadt, sondern auch die schleichende Umweltbelastung. Trotz eines überdurchschnittlichen Reichtums an natürlichen Ressourcen ist die Umweltsituation in Mexiko kritisch. Die unkontrollierte Entwicklung der urbanen Industriezentren ist ohne begleitenden Infrastrukturaufbau für die anfallenden Abfälle, Abwässer und Luftemissionen erfolgt, und insbesondere die Bewohner der wirtschaftlich rückständigen ländlichen Regionen greifen aus Armut zu immer einseitigeren Nutzungsformen und zerstören dadurch ihre eigenen Lebensgrundlagen. Die gravierende Umweltverschmutzung des Erholungsgebietes und der Stauwehre „La Olla“ und „San Renovato“ in La Presa de la Olla im Bundesstaat Guanajuato ist ein gutes Beispiel, das die zahlreichen Ursachen und die Komplexität der Umweltproblematik illustriert.
Vor etwa 40 Jahren war das Wasser dieser Stauwehre so klar und sauber, dass die Menschen dort schwimmen und die Fische darin leben konnten. Mit rund 36.000 Pflanzen- und über 5.000 Tierarten zählt Mexiko übrigens zu den megadiversen Staaten dieser Erde.
Im Laufe der Zeit hat die Erosion der Berghänge jedoch dazu geführt, dass die Stauwehre allmählich vom Sand zugeschüttet werden. Zudem haben das stetig ansteigende Bevölkerungswachstum, der verstärkte Tourismus und das Ausbleiben eines allgemein verbreiteten Verantwortungsgefühls, die Natur zu erhalten und zu schützen, die Umweltverschmutzung im Erholungsgebiet verursacht.
„Die Touristen hinterlassen viel Schmutz. Sie haben einfach kein Interesse daran, die Umwelt sauber zu halten”, sagt Marta Rionda, die Geschäftsführerin einer der zahlreichen Restaurants nahe des Stauwehrs La Olla. Arturo Días, Eigentümer des traditionellen Restaurants „Rincón Brujo“, vertritt die Ansicht, dass „die Besitzer der Restaurants nur ihre eigenen Grundstücke sauber halten können. Es ist unmöglich, die Umweltverschmutzung zu kontrollieren, da viele Leute hierher kommen, die weder die umliegenden öffentlichen Einrichtungen noch die Natur respektieren. (…) Aufgrund des vorherrschenden Mangels an Erziehung und Umweltbewusstsein haben die meisten Menschen nicht gelernt, verantwortungsvoll mit ihren Lebensgrundlagen umzugehen. Ich denke, dass es eine Geschichte ist, sehr arm zu sein – aber eine andere, sein Heim und seine Umgebung sauber zu halten. Selbst wenn ich arm bin, möchte ich keinen Abfall in meinem Haus und Garten. Wenn wir uns dies bewusst machen würden, könnten wir auch etwas ändern. Aber das hängt letztendlich von der Regierung ab, da ,jeder Kopf eine eigene Welt darstellt’*. Es wäre gut, eine Art Umwelterziehung in den Lehrplan der Schulen aufzunehmen oder einfallsreiche Schilder, die die Menschen zum Nachdenken anregen, aufzustellen.” Rund 50 Prozent der Mexikaner leben nach Angaben der deutschen Botschaft vom Juni 2000 in Armut oder extremer Armut. Entsprechend gering ausgeprägt ist daher ein umweltpolitisches Bewusstsein im deutschen Sinne, weil existentielle Probleme eindeutig im Vordergrund des Alltags stehen. Umweltprobleme werden meist nur durch unmittelbare Bedrohung des eigenen Lebensumfeldes wahrgenommen und ein globales Problem-bewusstsein, das Umweltzerstörung in einen Zusammenhang mit strukturellen Politik- und individuellen Verhaltensfehlern stellt, ist nur bei einem sehr geringen Teil der Bevölkerung zu finden.
Eine große Mehrheit der ansässigen Restaurant- und Geschäftsbesitzer rund um die Stauwehre beklagt die hohe Umweltverschmutzung, deren Ursache in erster Linie im Wegwerfen von Abfällen jeder Art gesehen wird. Außerdem fordern sie einen regelmäßigen Reinigungsservice von Seiten der Stadtverwaltung, konstante Überwachung des Erholungsgebietes, insbesondere auch am Wochenende, sowie den Auf- und Ausbau einer geeigneten Infrastruktur. Um gelegentliche Hilfe zu bekommen und darüber hinaus die öffentliche Aufmerksamkeit zu wecken, schlägt einer der Restauranteigentümer vor, zum Beispiel Pfadfindergruppen für die Reinigung der Stauwehre und deren Beaufsichtigung heranzuziehen. Wenn Kinder Erwachsene dafür tadeln, ihren Abfall in die Seen oder auf die Straße zu werfen, dann hat dies mit großer Wahrscheinlichkeit eine tiefgreifende Wirkung, da es paradox erscheint, dass Kinder erwachsene Menschen bitten, sich umweltbewusst zu verhalten. Die Petitionen der Restaurant- und Geschäftsbesitzer richten sich an den Bürgermeister, in dessen Zuständigkeitsbereich sowohl die Pflege und Instandhaltung der Freizeit- und Erholungsgebiete als auch das sichtbare Anbringen von Abfalleimern und Schildern, die helfen sollen, umweltgerechtes Verhalten zu fördern, fällt. An Vorschlägen und Ideen, die Umweltprobleme in der unmittelbaren Umgebung der Stauwehre in den Griff zu bekommen, fehlt es nicht: Zuerst sollen die Seen gereinigt werden, dann muss die umliegende Infrastruktur ausgebaut, konstant sauber gehalten und gepflegt werden. Eine regelmäßige Überwachung der Anlagen wird ebenfalls als sehr wichtig erachtet. Um die Erosion zu verhindern, könnte man Terrassen in abgestufter Form auf den Berghängen des Erholungsgebietes anlegen und diese anschließend mit Bäumen und Blumen bepflanzen. Nach Auskunft der Stadtverwaltung gehört es zu einer der dringlichsten Notwendigkeiten, den Bundesstaat Guanajuato wiederaufzuforsten, da die Vegetation mit jedem Jahr drastisch abnimmt und zu Beginn des 21. Jahrhunderts nur noch 45 Prozent der gesamten Erdoberfläche umfasst. Außerdem wäre es sinnvoll, denselben Sand, der den Stauwehren bei der Reinigung entnommen werden muss, für diverse Bauvorhaben der Stadt zu verwenden.
Erziehung oder Strafgelder?
Das dringend erforderliche ökologische Bewußtsein der Bevölkerung wird nach Ansicht aller dazu Befragten jedoch nur mit einer adäquaten umweltpolitischen Erziehung erreicht. Wenn den Kindern bereits in den Schulen und Familien entsprechende Werte und Normen vermittelt werden würden, die zu einem gewissenhaften Umgang mit der Umwelt und ihren eigenen Lebensgrundlagen führen, wäre damit das Fundament für einen tiefgreifenden Wandel errichtet, der zu dauerhaften Veränderungen in den menschlichen Verhaltensweisen führt. Eine unterstützende Maßnahme zur kurzfristigen Erreichung dieses Ziels könnte auch mit Hilfe der Medien geschaffen werden, indem diese zum Beispiel kurze Werbespots für den Umweltschutz im Radio oder ausführlichere Informations- und Umweltprogramme im Fernsehen senden.
Pedro Nieto Pulido, Generaldirektor der Stadtverwaltung in Guanajuato, sieht die Hauptprobleme in dem Erholungsgebiet und den beiden Stauwehren nicht nur in der ansteigenden Abholzung dieser Zone, sondern auch in dem Verhalten der Besucher, die ihre Abfälle überall wegwerfen. Er bestätigt, dass die neue Regierung mit dem derzeitigen Präsidenten Vicente Fox ein umfangreiches Projekt, das zur Verbesserung der Umweltprobleme beitragen soll, anstrebt. Dazu gehören unter anderem das Vorhaben, die Stauwehre zu reinigen, die Errichtung eines permanenten Reinigungsservices und die Einführung umweltbezogener Kurse an den öffentlichen Schulen.
Im Hinblick auf das erste Umweltprojekt der Regierung erklärt Nieto Pulido: „Wir sind jetzt schon dabei, den Stauwehren täglich Wasser zu entnehmen, mit dem Ziel, diese innerhalb von sechs Monaten ganz zu leeren, um dann eine gründliche Reinigung vornehmen zu können. Das abgepumpte Wasser verwenden wir dann zur Säuberung der Straßen und Plätze in Guanajuato und zur Bewässerung der städtischen Parkanlagen.” Nach Aussage des Geschäftsführers der Nationalen Wasserkommission, Jorge Octavios Gutierrez, gibt es jedoch keinerlei Abkommen, das zum Gebrauch des Wassers der beiden Stauwehre berechtigt. „Es wäre angebracht, wenn die Stadtverwaltung eine offizielle Anfrage bezüglich der Verwendung des Wassers und der geplanten Reinigung der Stauwehre vornehmen würde, da dieses Vorhaben zu seiner tatsächlichen Umsetzung unbedingt legalisiert werden muss”, sagt Octavios Gutierrez.
Zum zweiten Umweltprojekt der Regierung meint Nieto Pulido, dass „der permanente Reinigungsservice schon seit drei Monaten begonnen hat”. Geplant sei, die Anzahl der Abfalleimer zu erhöhen. Zudem sollen in der ganzen Stadt Schilder angebracht werden, welche Strafen bis zu 350 Pesos ankündigen, wenn Müll einfach auf die Straße geworfen wird. Der Generaldirektor der Öffentlichen Sicherheit, Felipe Hernández Chávez, sagt dazu jedoch: „Bisher haben wir noch kein Geld, um das geplante Projekt durchzuführen. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass eine Person, die sich strafbar macht, indem sie Abfall auf die Straße wirft, zwischen zehn und zwölf Tage Zeit hat, um die verhängte Strafe zu begleichen. Falls diese Person nicht über die dafür notwendigen finanziellen Mittel verfügt, muss sie eine Vereinbarung mit dem Schatzamt treffen, um die festgesetzte Geldsumme für die begangene Straftat zu reduzieren.” Daraus wird allerdings nur ein Teil der potentiellen Probleme, die sich voraussichtlich bei der Umsetzung dieses Projekts ergeben, ersichtlich. Offen bleibt, ob die Polizei konsequent handeln wird oder lieber wegschaut, insbesondere wenn es sich bei den Straftätern um Bekannte oder Freunde handelt. Darüber hinaus bleibt mehr als fraglich, ob die Strafe ordnungsgemäß in Rechnung gestellt wird, da die derzeitigen Löhne der mexikanischen Polizeibeamten so niedrig sind, dass die Einkünfte meist durch Korruption aufgebessert werden. Damit lässt sich auch die mangelnde Durchsetzung der bereits bestehenden Umweltvorschriften erklären.
Mangel an Kontrolle und Koordination
„Das größte Problem”, erklärt Hernández Chávez, „ist der Mangel an Kontrolle (…) und Ausbildung hinsichtlich der Umweltprobleme. Noch dieses Jahr werden wir eine interne Schulung, die unter anderem Rechtschreibung und den Umgang mit Menschen umfasst, durchführen.” Insbesondere die so genannten Hilfspolizisten verfügen über eine völlig unzureichende Schulausbildung und können oftmals weder lesen noch schreiben. Doch gerade durch den Waffenbesitz und der damit verbundenen Macht und Verantwortung erscheint eine persönliche und schulische Ausbildung unbedingt notwendig.
Ein weiteres Problem stellt nach Ansicht von Hernández Chávez der akute Personalmangel dar. Die Überwachung der Gegend rund um die Stauwehre ist ungenügend, weil die Polizei „nicht über genügend Personal verfügt. Wir können nur eine Patrouille bereitstellen, die dort sechsmal am Tag nach dem Rechten sieht.” Rafael Sandibanez, einer der Restaurantbesitzer in der Umgebung der Stauwehre, schlägt indessen vor, dass „denselben Polizisten, die hier ihre Runden drehen, ein gewisses Umweltbewusstsein gelehrt werden sollte, so dass sie dazu in der Lage sind, die Leute, die ihre Abfälle in die Seen oder in den Park werfen, für die Umweltproblematik zu sensibilisieren und dies somit Teil ihrer Funktion und Aufgabe wird.” Das dritte Vorhaben der Regierung, die Einführung umweltbezogener Kurse an den öffentlichen Schulen, „zielt darauf ab, das kulturelle Problem, das wir zweifellos in Mexiko haben, in den Griff zu bekommen”, erklärt Nieto Pulido. In den Grundschulen werden bereits täglich Umweltkurse angeboten und zudem wurden verschiedene Mülltonnen in den Schulhöfen aufgestellt, um zur Trennung der Abfälle anzuregen. Fraglich bleibt dabei jedoch, ob diese ökologische Aktion überzeugend und logisch wirkt, wenn die staatliche Müllabfuhr die ganzen Abfälle nachher doch wieder alle zusammen kippt. Das nationale Umweltmini-sterium SEMARNAT, in dessen Aufgabenbereich der Schutz und die nachhaltige Nutzung der Umwelt und der natürlichen Ressourcen fällt, ist nach Aussage von Jesús Aragón Morales, Vorsitzender des Bundesumweltministeriums, nicht über die geplanten Projekte der Regierung informiert. „Da wir nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen, können wir auch keine eigenständigen Umweltprojekte verwirklichen. Erst vor kurzem haben wir mit dem Präsidenten darüber gesprochen, eine Aufbereitungsanlage für Abwässer zu bauen. Um Wasser trinkbar zu machen, muss es normalerweise drei unterschiedlichen Behandlungsstufen unterzogen werden, aber in Mexiko erreichen wir nicht einmal die erste Stufe, denn diese Verfahren sind einfach zu kostspielig.” In weiten Teilen des Landes sind Grund- und Oberflächengewässer verschmutzt und überbeansprucht. Die industriellen und kommunalen Abwässer werden meist nicht geklärt und beeinflussen die Wasserqualität der meisten Seen und Flüsse erheblich, soweit sie überhaupt noch Wasser führen, da sehr viele Flüsse bereits praktisch tot sind.
Es bleibt dahingestellt, ob die geplanten Umweltprojekte der Regierung auch wirklich umgesetzt werden, wenn die Stadtverwaltung nicht den dafür erforderlichen bürokratischen Weg geht und darüber hinaus die für den Umweltschutz zuständigen Institutionen keinerlei Kenntnis über diese Projekte besitzen. Die Herstellung funktionierender Kooperations- und Leistungsbeziehungen zwischen den verschiedenen umweltpolitischen Akteuren ist unabdingbar für die Gewährleistung eines effizienten Umweltschutzes und -managements.
Selbst wenn Absichten und Beschlüsse in schöne und vielversprechende Worte verpackt werden, zählen letztendlich doch nur die tatsächlichen Handlungen. Um die Öffentlichkeit auf die Umweltproblematik in dem Erholungsgebiet und den Stauwehren aufmerksam zu machen und gleichzeitig erhöhten Druck auf die politischen Entscheidungsträger auszuüben, wäre es durchaus sinnvoll, eine Art Verein oder Bürgerinitiative zu gründen, da der Zusammenschluß von mehreren Menschen in der Regel weit mehr Einfluß ausüben kann als vereinzelte disperse Meinungen. Dazu sollten zuerst einmal die dringlichsten Umweltprobleme und ihre respektiven potentiellen Lösungsansätze definiert werden, um diese dann anschließend der Stadtverwaltung zu erläutern. In Mexiko stellt die Polarisierung unterschiedlicher Gesellschaftsbereiche bislang allerdings immer noch ein nicht zu unterschätzendes Störpotential dar, da sich eine traditionell autoritäre Verwaltung und eine marginalisierte Bürgerbewegung meist skeptisch gegenüberstehen. Erst wenn beide Seiten den konstruktiven Dialog zu führen lernen, kann von sozialer Partizipation in der Entscheidungsfindung und im Interessenausgleich wirklich die Rede sein. Außerdem ist es stets hilfreich, die Presse in solche Angelegenheiten zu involvieren, da die staatlichen Autoritäten dadurch gezwungen werden, sich vor der öffentlichen Meinung zu rechtfertigen. Bisher nimmt die Umweltpolitik in den Medien angesichts der dominierenden Themen Politikreform und Wirtschaftsentwicklung jedoch nur eine untergeordnete Stellung ein. Umweltpolitische Grundsatzdebatten oder qualifizierte Reportagen bleiben bislang auf wenige Experten beschränkt.
Wer ist verantwortlich?
Bereits 1993 hat das Institut für Ökologie des Bundesstaates Guanajuato (IEG) eine Studie durchgeführt, mit dem Ziel, die Artenvielfalt in dem Erholungsgebiet und den beiden Stauwehren zu erhalten. „Die Stadtverwaltung hat damals eine Kopie dieser Studie, die ein ganzes Buch umfasst, erhalten”, sagt Anna Escamilla López, Angestellte dieses Instituts. „Obwohl die Stadt verantwortlich ist für die Wiederaufforstung des Gebiets und die Reinigung der Stauwehre, wurde doch nie etwas gegen die immer weiter wachsende Umweltverschmutzung unternommen.” Es bleibt also abzuwarten, ob sich die teuren Studien auch gelohnt haben.
Spät erwachtes Umweltbewusstsein gepaart mit unkontrolliertem Wirtschaftswachstum, unproduktiver Ressourcennutzung, einer laxen Kontrolle sowie nicht zuletzt der Mangel an finanziellen Mitteln haben zu einer, in Teilbereichen unwiederbringlichen, Zerstörung der natürlichen Ressourcen des Landes geführt. Obgleich die vorherrschende Umweltproblematik weder neu noch unbekannt ist, sind umweltpolitische Profile der maßgeblichen politischen Parteien bisher noch nicht erkennbar. Nach einer über siebzigjährigen Ein-Parteienherrschaft befindet sich das Land in einem noch fragilen Demokratisierungsprozess, der die Parteien vor grundlegendere Standortfragen stellt.
Die Restaurant- und Geschäftsbesitzer rund um die Stauwehre haben zwar sehr viele Ideen entwickelt, die zum Teil auch als attraktive Lösungsansätze für die fatale Umweltsituation im Erholungsgebiet gewertet werden können, sie sind selbst jedoch lediglich in der Lage, in einigen wenigen Bereichen aktiv zu werden. Daher richten sie sich mit ihren Petitionen an die Stadtverwaltung, die ihrerseits Umweltprojekte geplant hat, welche aber noch weit von einer konkreten Durchführung entfernt sind. Die am häufigsten verwendete Argumentation der Entwicklungs- und Schwellenländer in der Handhabung der Umweltproblematik ist der chronische Mangel an finanziellen Ressourcen. Zweifellos ist dort das Geld knapp, aber dennoch – zumeist in den Händen weniger – vorhanden.
Eine Möglichkeit, weitere finanzielle Quellen zu erschließen, wäre zum Beispiel, private Unternehmen in den Umweltschutz einzubeziehen. Profitorientierte Unternehmer können Nutzen aus dem gewachsenen Tourismus ziehen, indem sie mehr Geschäfte in der Umgebung des Erholungsgebietes ansiedeln, Führungen in kleinen Gruppen organisieren oder auch den Alternativtourismus fördern. Mit Hilfe einer geeigneten Infrastruktur wäre es möglich, Fahrrad- und Reittouren, Ausflüge und Wanderungen in den umliegenden Bergen sowie diverse andere Sportarten, Freizeit- und Vergnügungsmöglichkeiten anzubieten. Außerdem wäre es – mittels eines Abkommens zwischen der Stadtverwaltung und des einheimischen Instituts für Kultur (Casa de Cultura) – denkbar, zahlreiche Besucher des Erholungsgebietes durch ein buntes kulturelles Veranstaltungsprogramm, wie beispielsweise verschiedene Konzerte, Freilichtkino und Theatervorstellungen, anzulocken. Auf lange Sicht gesehen ist das Endziel des breiten Angebots derartiger Aktivitäten die Selbstfinanzierung des Erholungsgebietes.
Falls also in Mexiko wirklich alles möglich ist, warum soll es dann nicht auch machbar sein, kulturelle Erbschaften wie diese beiden Stauwehre, die auch Teil der so genannten Magie des Landes sind, zu schützen? Wenn zum Beispiel Politiker und hohe Beamte in ihrer Funktion als im Idealfall vorbildliche Amtsträger auf einen Teil ihrer übersteigerten Einkünfte verzichten und diese dafür in eine bessere Lebensqualität für unsere und zukünftige Generationen investieren würden, wäre schon ein erster großer Schritt getan. Die Verantwortung für den Umweltschutz jedoch von einer Seite auf die andere zu schieben, erscheint wenig sinnvoll in Anbetracht dessen, dass die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen letztendlich alle Menschen dieses Planeten angeht. Sobald sich hingegen niemand dafür zuständig fühlt und multilaterale Abkommen und Umweltkonventionen weiterhin ohne völkerrechtliche Verbindlichkeit bleiben, ist es voraussichtlich nur eine Frage der Zeit, bis die Prophezeiungen zahlreicher Zukunftsforscher und Wachstums-skeptiker, die für das nächste Jahrtausend den unvermeidlichen Zusammenbruch der auf Wachstum programmierten Industriegesellschaften sehen, tatsächlich eintreffen. Ohne das Engagement jedes Einzelnen sind die globalen Umwelprobleme – etwa der drohende Treibhauseffekt, der Schwund der Artenvielfalt, der Wälder und der Bodenfruchtbarkeit – allerdings nicht zu entschärfen.