Quetzal Vogel
News Icon
Quetzal

Politik und Kultur in Lateinamerika

Template: single_normal
Artikel

Lateinamerika und Europa solidarisieren sich mit den argentinischen Streikenden – Internationale Proteste gegen Präsident Milei und seine antisoziale Ausrichtung

Sergio Ferrari | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Tausende stellten sich an die Seite der Streikenden in Argentinien vom 24. Januar. In einer Vielzahl von Städten, insbesondere in Lateinamerika und Europa, wurde in „Scharen“ protestiert. In weiten Teilen legt die internationale Presse das Augenmerk auf die große Zahl der Demonstrierenden.

Radio France Internationale (RFI) kommentiert am 25. Januar in einem Dossier zum Streik auf seiner Website: „Noch ein Warnschuss gegen die neuen ultraliberalen Kräfte in Argentinien. Laut der CGT, dem zentralen Gewerkschaftsverbund, gingen gestern landesweit anderthalb Millionen Menschen auf die Straße, davon 600.000 allein in der Hauptstadt Buenos Aires“.

Das öffentliche schweizerische Fernsehen sendete ebenfalls eine Reportage über Argentinien mit mehreren Minuten Bildmaterial und Interviews zum Protest, um das gigantische Ausmaß des Streiks deutlich zu machen. Der Nachrichtensender betont, das Buenos Aires zur Hälfte lahmgelegt sei, so viel Zulauf habe der Streik bekommen.
Im Hinblick auf die Teilnehmendenzahlen informiert das spanische Fernsehen über verschiedene Quellen und Daten, auch abseits der offiziellen Stimmen, zum Ereignis. RTVE zufolge spricht die argentinische Armee von 40.000 Menschen, die bis zum Plaza del Congreso gezogen seien, während die Polizei der Ciudad de Buenos Aires die Zahl der Teilnehmenden auf 130.000 schätzte. Die zentrale Gewerkschaft habe 600.000 auf dem Plaza del Congreso und den umliegenden Straßen gezählt. Im ganzen Land seien es über 1,5 Millionen gewesen.

[…]

Die Solidarität erobert die Straßen

Der internationale Rückhalt war am eindrucksvollsten an den Demonstrationen zu sehen, die in mindestens fünfzig Städten in Lateinamerika und Europa stattfanden. Meist waren es die Hauptstädte, wie Paris, Rom, London, Amsterdam, Bern, Lissabon, Brüssel, Brasilia, Montevideo, Santiago de Chile oder Ciudad de México. Aber auch an symbolträchtigen Orten wurden Demonstrationen abgehalten, z.B. auf dem Place des Nations in Genf (Schweiz), gegenüber dem europäischen Sitz der UN, der „Hauptstadt der Welt“ der Menschenrechte. In all diesen Städten und noch vielen weiteren (wie etwa San Pablo, Recife, Valencia oder Toulouse, um nur einige zu nennen) riefen im Ausland lebende argentinische/lateinamerikanische Gruppen zu begleitenden und unterstützenden Aktionen mit dem argentinischen Protest auf. Dies löste einen wahren Solidaritätssturm aus, bei dem auch die internationalistischen Wiphalas nicht fehlten.

Erneuerte internationale Solidarität

„Javier Mileis beschämender Auftritt in Davos, bei dem er „den sozialistischen Feind“ in jeder Ecke witterte und unter diesem Eindruck nahezu alles und jeden attackierte (sogar internationale Organisationen und das SDG „Keine Armut“ auf der Agenda 2030 der Vereinten Nationen), bewirke, dass viele derer, die ihn bisher nicht kannten, sich nun ein Bild von seinen gefährlichen und sektiererischen Ansichten machen konnten”, erklärt Marcella Camerano, Parteimitglied von Argentinos para la Victoria (ApV) Provinz 25, Schweiz. Er habe keinen Hehl aus seinen antifeministischen Ansichten und der Leugnung des Klimawandels gemacht und die Bosse transnationaler Konzerne als Helden bezeichnet, die eine globale antistaatliche Führung übernehmen würden.
[…]

„Die Aggression gegen den Sozialstaat ist Anlass zur Sorge“

Die Veranstalter*innen der europäischen Proteste bekräftigten ihre Solidaritätsaktionen am Mittwoch, den 24. Januar, durch vielerlei öffentliche Kundgebungen. Zum Beispiel äußerten zwanzig französische Organisationen, dass die argentinische Exekutive für die komplette vierjährige Amtszeit Zuständigkeitsbereiche beanspruche, die zur Legislative gehörten. Folglich erlebe Argentinien derzeit „einen versuchten Putsch gegen die Institutionen“, so heißt es in der Erklärung, die von der Asamblea de Ciudadanos Argentinos en Francia (ACAF) herausgegeben wurde.  Dieser schlossen sich u.a. die Intersyndical (Gewerkschaftsverbund aus den sechs größten Arbeitnehmer*innenvertretungen des Landes), die FIDH (FÉDÉRATION INTERNATIONALE POUR LES DROITS HUMAINS) und die Parteien La France Insoumise, die Kommunistische und die Sozialistische Partei, die Grünen, die Arbeiter*innenpartei und die Nouveau Parti anticapitaliste, sowie weitere solidarische Vereinigungen an.

«Was wir in Paris geschafft haben, war ein bedeutsamer Streikaufruf, getragen von einem breiten, vielfältigen Spektrum. 400-500 Menschen waren Teil der Aktion. Wir stellten uns gegenüber der argentinischen Botschaft auf, ein sehr bekannter und symbolträchtiger Ort, dadurch, dass in Zeiten der Diktatur dort ständig Demonstrationen stattfanden “, erläutert Laura Franchi, eine der Präsidentinnen der ACAF […]. «In den letzten Wochen konnten wir spüren, wie die Solidarisierung mit Argentinien wieder auflebte. Viele sehen in der Gestalt Mileis den Ausdruck eines gefährlichen Modells, das den Staat, die sozialen Errungenschaften und die Gleichstellung angreift und für Frankreich wie für jedes andere Land in Europa und weltweit verheerende Folgen hätte, würde es sich durchsetzen», so Franchi.

Das ACAF-Mitglied schließt mit dem Gedanken: „Man darf nicht unterschätzen, dass in mehreren Ländern der Alten Welt rechte und rechtsextreme Kräfte wieder an Macht gewinnen. Weite Teile der Gesellschaft sind deshalb wachsam und machen sich Sorgen. Offenbar schwant auch vielen hier, was so eine Art Regierung für sie bedeuten könnte, seitdem in Argentinien diese Figur auf der Bildfläche erschienen ist, mit dem Vorhaben, die sozialen Fortschritte umzuwälzen. Stimmen werden laut, dass die Grenze des politisch Akzeptablen überschritten sei. Und selbst wenn es auf der Hand liegt, dass heutzutage staatsschwächende Tendenzen in der EU stärker werden, wächst die Furcht, dass wie bei Milei der Respekt vor Institutionen und Gewaltenteilung keine Rolle mehr spielt und der Sozialstaat aus den Angeln gehoben werden könnte“.

 


 

Original-Beitrag aus bolpress (25.01.2024). Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift.

Übersetzung aus dem Spanisch: Uta Hecker

Bildquelle: Quetzal-Redaktion, soleb

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert