„Comprended entonces, la pobreza de mi país, y mi dolor y la angustia de todos.
Si cuando digo: Pan!, me dicen: calla! Y cuando digo: libertad!, me dicen: muere!
Pero no callo ni muero. Vivo y lucho, Y eso enloquece a los que mandan en mi país.“ (Otto René Castillo) *
Das zentralamerikanische Land ist im Verlaufe seiner wechselhaften Geschichte mit vielen Attributen versehen oder assoziiert worden: Zunächst einmal gilt es als Heimstatt unseres „Wappentiers“ – des Quetzal, der zudem im Landeswappen wie auch in der Landeswährung von Guatemala verewigt ist. „Land des ewigen Frühlings“ und „Land der Maya“ sind Bezeichnungen, die auf die natürliche Schönheit von Vegetation und Landschaft sowie auf die unübersehbar indigene Prägung verweisen. Es versetzt den Reisenden immer wieder in Erstaunen, daß ihm auf einem Territorium, das fast genauso groß (oder besser: klein) wie das der DDR ist, eine derartige Vielfalt begegnet. Dies beginnt bei der naturräumlichen Gliederung des Landes, die durch hohe Gebirge und Vulkanketten im Westen, weite Urwälder mit enormer Biodiversität im Norden (El Petén), teils verödete Ebenen im Oriente und fruchtbare Agrargebiete an den Gebirgsausläufern auf der Pazifikseite gekennzeichnet ist. Umsäumt von mehreren Vulkanen liegt der Atitlán, von Alexander v. Humboldt als der schönste See der Welt gerühmt, wie ein blau oder manchmal auch smaragdgrün schimmerndes Auge im zentralen Teil des Hochlandes. Im Osten befindet sich der herrliche Lago de Izabal, das größte Binnengewässer des Landes, welches über den Rio Dulce in den Atlantik einmündet.
Die ethnische und kulturelle Vielfalt steht der natürlichen keineswegs nach. Allein die indigene Bevölkerung zählt 22 verschiedene Ethnien, von denen allein 20 zu den Maya gehören, die vor allem im westlichen Hochland, in der Alta Verapaz und im Petén siedeln. Einige wenige Xinga, die zur aztekischen Sprachfamilie gezählt werden, und die an der Atlantikküste lebenden Garífuna, eine karibisch-afrikanische Bevölkerungsgruppe, komplettieren das ethnische Mosaik des Landes. Neben der indigenen Mehrheit leben in Guatemala hauptsächlich Mestizen, auch Ladinos genannt, und die Nachkommen von europäischen Einwanderern, die größtenteils der Elite des Landes angehören.
Die indianische Prägung Guatemalas, die stärker als anderswo in Zentralamerika zutage tritt, zeigt sich nicht nur in der Zusammensetzung der Bevölkerung. Ebenso kommt sie in lebendig gebliebenen Traditionen, die ihre Wurzeln in der Maya-Hochkultur haben, und in deren archäologischer Hinterlassenschaft zum Tragen. Besonders beeindruckend sind die Ruinen von Tikal, einer Maya-Stadt, die um 700 die umliegenden Gebiete kontrollierte. Von der 300jährigen Kolonialzeit künden die prachtvollen Bauten von Antigua und Ciudad Vieja, die vor Guatemala-Stadt den Rang der Hauptstadt innehatten. Bis zur Unabhängigkeit von Spanien 1821 gehörten zur Generalkapitanie Guatemala auch El Salvador, Honduras, Nicaragua und Costa Rica sowie Chiapas, das 1823 beim benachbarten Mexiko verblieb. Bestimmend für die weitere Entwicklung des Landes nach dem Zerfall der Zentralamerikanischen Föderation 1838 waren der Aufstieg des Kaffees zum Hauptexportprodukt, der zeitlich mit dem Sieg der liberalen Reforma von 1871 zusammenfiel, und das Eindringen des US-Kapitals ab 1900, das sich vor allem in der Bananen-Enklave sowie im Eisenbahn-, Energie- und Kommunikationssektor etablierte.
Das folgende 20. Jahrhundert war von zwei gegensätzlichen Entwicklungen charakterisiert: Zum einem unterdrückten brutale, teils in Genozid ausartende Militärdiktaturen die Bevölkerung, die sich zum anderen immer wieder zu demokratischer Gegenwehr erhob. Der einzige, jedoch traumatisch endende Versuch einer mit Strukturreformen verbundenen Demokratisierung war die Revolution von 1944 bis 1954 – oft auch als „zehn Jahre demokratischen Frühlings inmitten ewiger Tyrannei“ bezeichnet. Was auf diesen Aufbruch folgte, war ein Todesreigen aus blutiger Konterrevolution, Militärputschen, gescheiterten Guerillabewegungen, niedergeschlagenen Massenprotesten und schließlich ein Bürgerkrieg, der 36 Jahre währte und über 200.000 Menschen, davon die meisten Maya, das Leben kostete. Als es im Dezember 1996 schließlich zur Unterzeichnung des Friedensabkommens kam, hatte die Gewalt aber immer noch kein Ende, sondern äußerte sich „lediglich“ in anderen, alltäglicheren Formen. Die Mitte der 1980er Jahre begonnenen Demokratisierung blieb Stückwerk und selbst die Verleihung des Friedensnobelpreises 1992 an Rigoberta Menchú, eine Quiché-Indianerin, scheint zur folgenlosen Episode zu verblassen. Die Geschichte des Widerstandes von unten sowie das unabgegoltene, aber keineswegs vergessene Erbe des „demokratischen Frühlings“ lassen dennoch auf eine bessere Zukunft hoffen.
* Übers.: Versteht also die Armut meines Landes, und meinen Schmerz, und die Beklemmung aller. Wenn ich sage Brot! Sagen sie mir: Halts Maul! Und wenn ich sage: Freiheit! Sagen sie mir: Stirb! Aber ich schweige nicht noch sterbe ich. Ich lebe und kämpfe. Und das macht die verrückt, die in meinem Land den Ton angeben.