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Recht

Redaktion | | Artikel drucken
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An einer Definition von Recht haben sich über Jahrhunderte hinweg mehrere philosophische Strömungen versucht. In frühen Zeiten war Recht identisch mit den vorherrschenden Moralvorstellungen. Rechtsphilosophisch spricht man von der Epoche des Naturrechts. Für die Vertreter des späteren Rechtspositivismus hingegen war der Ursprung einer Regel das entscheidende Kriterium. Allein diejenigen Regeln wurden als Recht qualifiziert, die von Personen oder Körperschaften erlassen wurden, welche die Autorität hierzu hatten. Insbesondere waren dies die Regeln des Herrschers. Der in den USA entwickelte legal realism befand eine Regel unabhängig ihrer Herkunft nur dann als Recht, wenn und soweit Gerichte oder andere Behörden bereit waren, diese anzuwenden und zu vollstrecken. Im Zivilrecht sind zwei große westliche Rechtstraditionen zu unterscheiden: die kontinentaleuropäische Traditon des kodifizierten Rechts und die des englischen Fallrechts (common law). Erstere findet ihren Ursprung in Rom, als Justitian das Römische Recht kodifizierte, um es im gesamten Imperium zu verbreiten. Von Napoleon im frühen 19. Jahrhundert umfassend überarbeitet und neu kodifiziert, etablierte sich das Römische Recht und mit ihm die Tradition des geschriebenen Rechts in ganz Europa sowie den französischen Kolonien. Wichtigstes Element ist das geschriebene Gesetzbuch, aus dem sich Rechte und Pflichten des einzelnen ableiten. Auch wenn Richtersprüche durch bereits ergangene Entscheidungen beeinflußt werden, so ist doch letztlich ist immer das Gesetz entscheidende Quelle der Rechtsprechung. Geburtsstunde des common law ist die Eroberung Englands durch die Normannen im Jahre 1066. Die neuen Herrscher richteten reisende Gerichtshöfe ein, die im ganzen Land für eine einheitliche Rechtsprechung sorgten. Im System des common law basiert die Rechtsprechung allein auf Präzedenzfällen. Das Recht ist in der Regel nicht kodifiziert, sondern wird durch die Rechtsprechung gewohnheitsrechtlich weiterentwickelt. In der Zeit, in der sich das Römische Recht in Kontinentaleuropa immer mehr ausbreitete, waren die Beziehungen zwischen dem englischen und den französischen Könighaus häufig angespannt. Man vermutet, daß sich England aus diesem Grunde weigerte, die Tradition des common law gegen die der weiter verbreiteten römischen Zivilrechtstradition einzutauschen. Die Verteilung beider Rechtssysteme heute ist Spiegelbild vergangener westlicher Kolonialpolitik. Während die ehemals englischen Kolonien das common law übernommen haben, wird das Recht in den übrigen Ländern kodifiziert. In Lateinamerika folgen alle Länder der kontinentaleuropäischen Tradition, mit Ausnahme von Puerto Rico, der Dominikanischen Republik und Belize, welche das System des common law übernommen haben.