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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Das Projekt „Foro Ecológico“

Cornelia Giebeler | | Artikel drucken
Lesedauer: 16 Minuten

Kultur und Ökologie in Juchitán / Oaxaca

In Juchitán, im Süden Mexikos, lebt eine außergewöhnlich starke und selbstbewusste indianische Gesellschaft, die Zapoteken des Isthmus von Tehuantepec. Die Kleinstadt, von der die Reisenden seit vielen Jahrhunderten berichten, ist als Handelsort bekannt. Der Handel liegt in den Händen der zapotekischen Frauen, die seit Jahrhunderten wegen ihrer Schönheit, Stärke und Dominanz große Beachtung finden. Bis heute bestimmt die zapotekische Tradition das ökonomische und soziale Leben in der Stadt. Drei Viertel der Bevölkerung sprechen zapotekisch, alle Bewohner sind stolz auf ihre Sprache. Nicht nur auf der Straße, dem Markt und in den Familien wird die einheimische Sprache gepflegt – vor allem Intellektuelle und auch Politiker, Sänger und Dichter benutzen und lieben ihre alte Sprache.

Hier wird eine rauschende Festkultur gepflegt. Die Nachbarschaftsfeste dauern vier Tage und Nächte und werden für 2000 bis 4000 Menschen ausgerichtet. Auch für kleinere Familienfeiern wird die Straße gesperrt, um das Festzelt zu errichten, so dass sich der öffentliche Verkehr andere Wege suchen muss.

Die traditionelle Tracht der Zapotekinnen ist handgearbeitet und sehr kostbar. Ihre grell-bunten Farben fallen überall in Mexiko auf.

Mit seinen 65.000 Einwohnern ist Juchitán jedoch keine indianische Insel inmitten einer modernen Welt: Die internationalen Produktions- und Konsumgewohnheiten lassen sich auch hier finden. Erdölförderung, Hafenwirtschaft und Industrialisierung in der Umgebung führten bald zur wachsenden Verschmutzung des Ortes. Wenn heute der „norte“, der Nordwind, im Winter durch die Straßen fegt, treibt er Plastiktüten mit sich, wirbelt Staub und Papierfetzen durch die Luft, die den mühsam mit dem Sturm kämpfenden Fußgänger entgegen kommen. Wenn der breite, aus den Bergen kommende „Fluss der Hunde“, wie die ehemals hier heimischen Biber genannt werden, im Sommer über die Ufer tritt, schwemmt er die an den Flussufern abgelagerten Müllberge mit und transportiert sie in die nahegelegene salzhaltige Lagune. Zunehmend sind es unorganische Abfälle, die die Fluss- und Straßenränder säumen Die immer noch eifrig in ihnen wühlenden Schweine können diese neuen Müllsorten nicht bewältigen. Bei den traditionellen Festen Juchitáns werden auch nicht mehr die alten Materialien wie Ton, Palmen oder auch Karton verwendet. Plastikschmuck und Plastikbecher beherrschen das Bild und tragen bei dem ausgedehnten festlichen Leben dieser Stadt zur sich immer weiter vergrößernden Müllproblematik bei. Städtische Laster holen den Müll ab. Die Straßen werden im Zentrum regelmäßig gereinigt. Doch bis in die Randgebiete der Stadt kommen die Müllautos nicht. Hier holen Privatpersonen mit ihren Ochsenkarren und Privatautos den Müll der Haushalte gegen ein Entgelt ab und kippen ihn an die Straßenränder auf dem Weg zur Lagune. Die mit den städtischen Autos gesammelten Abfälle werden außerhalb des Ortes auf Müllkippen abgeladen.

In dieser Situation haben vor 10 Jahren verschiedene Bewohner des Ortes begonnen, sich grundsätzliche Gedanken zur ökologischen Situation Juchitáns zu machen. Sie haben nach einem Weg gesucht, wie das ökologische Gleichgewicht innerhalb der zapotekischen Kultur und Ökonomie wiederhergestellt werden kann. Aus diesen Bemühungen ging schließlich das „Foro Ecológico“, das ökologische Forum, hervor. „Lasst uns unseren Fluss zurückgewinnen“ war der Titel des ersten Plakates, mit dem das Foro an die juchitekische Öffentlichkeit trat.

Der Fluss

Noch vor 20 Jahren hausten die Biber im „Rio de los perros“ – doch dann ergriffen sie angesichts der zunehmenden Verschmutzung die Flucht. Heute ist es das Ziel des Foro Ecológico, die Bedingungen im Fluss so wiederherzustellen, dass die Tiere zurückkehren. Doch bis es soweit ist, bedarf es noch einiger Arbeit. Bevor der Fluss Juchitán erreicht, hat er bereits einen langen Weg hinter sich gebracht, ist an zwei größeren Städten und etlichen Dörfern vorbeigeflossen, die ihn als Müllkippe benutzen – allerdings ohne so gravierende Folgen wie in Juchitán, der mit Abstand größten Stadt in der Region, und immerhin drittgrößten Stadt im Bundesstaat Oaxaca.

Seitdem sich das Foro Ecológico um die Flussreinigung bemüht, ist bereits viel geschehen. Mitten im Zentrum der Stadt befand sich eine der größten Müllkippen der Stadt. Heute ist hier ein Zaun gezogen, der verhindert, dass die privaten Abfallsammler weiterhin den Hausmüll an den Flussrand kippen. Es wurde ein kleiner Platz angelegt, der neben der ehemaligen Müllkippe zum Verweilen einlädt. Die Kunstschule aus Oaxaca hat die anliegenden Wände der Häuser mit Gemälden überzogen, die Kinder der Malgruppe aus Juchitán haben sich ebenfalls beteiligt.

Heute landet kein Müll mehr auf der anderen Seite des Mauerchens, es gibt kaum noch Kinder, die im Fluss nach Weißblechdosen suchen, um sie zu verkaufen. Die Schweine suchen weiterhin ihr Fressen im Schlamm, aber wühlen sich nicht mehr durch die großen Plastikberge, Autoreifen und Öllachen, um Nahrung zu finden.

Als Folge der Öffentlichkeitsarbeit des Foro ist mittlerweile derjenige schlecht angesehen, der Abfälle in den Fluss wirft. Durch die Bemühungen, mit den Nachbarschaften zu sprechen, Gruppen zu bilden, die sich für einen Teil des Flusses verantwortlich fühlen und die Bäume und Sträucher pflanzen, hat sich eine neue Moral gebildet. Verbote braucht es hier nicht, es gibt genügend Menschen, die nicht still bleiben, wenn jemand die Abfälle in ihren Fluss wirft.

In Juchitán, wie in all den Kleinstädten und Dörfern Mexikos, wo die Umweltproblematik erst seit ein paar Jahren bedeutsam geworden ist, ist es ausgesprochen schwierig, die Einheimischen von den alten Gewohnheiten abzubringen. Jahrhundertelang hat der Fluss in der Regenzeit die Abfälle „entsorgt“. Es erfordert eine weitgehende Einsicht in die Zusammenhänge unterschiedlicher Abfallsorten, um überhaupt zu verstehen, warum der Fluss heute nicht mehr mit dem Müll fertig wird. Die direkt im Zentrum entstandene Müllsammel- und Recyclingstelle wird vor allem als Zentrum für ökologische Erziehung genutzt. Sie liegt direkt am Fluss, dort, wo zuvor eine große Müllkippe bestand, und ist ein deutliches Zeichen für die Veränderungen, die seit der konkreten Arbeit des Foro eingesetzt haben.

Von Anbeginn geht es dem Foro nicht nur darum, bessere Müllhalden zu schaffen. Es geht ihnen um eine neue ökologische Kultur, die an den alten Traditionen ansetzt, um die alltäglichen Probleme Juchitáns und darum, die Umwelt ernst zu nehmen. Die Bewohner selbst sollen diese Arbeit leisten und ihre Verhaltensweisen der veränderten Umweltsituation anpassen. Seit Anfang 1991 erhält das Foro Ecológico eine Unterstützung durch die Heinrich-Böll-Stiftung, die die Arbeit der Gruppe vorantreibt. Es konnten zwei Kleinlaster gekauft werden und Materialien für den Aufbau der „Centros de Acopio“, der Müllsammel- und -separierstellen, wurden angeschafft. Einige Mitarbeiterinnen des Foros, die ihre gesamte Arbeitskraft in den Aufbau der Zentren steckten, konnten für ihr Engagement bezahlt werden, so dass sie nicht mehr woanders für ihren Lebensunterhalt arbeiten mussten. Für die Zukunft ist beabsichtigt, mit immer weniger Geld von außen zu wirtschaften, so dass sich die Zentren auf Dauer selbst tragen.

Die Projekte des Foro Ecológico Juchitán

Nach zwei Jahren Arbeit hat das Foro Ecológico bereits eine Fülle von Projekten aufgebaut und verschiedene öffentliche Aktivitäten durchgeführt. Ende 1992 sind zwei Müllsammelstellen in Betrieb und drei weitere befinden sich im Bau. Immer mehr Familien aus den Stadtteilen beteiligen sich an der Arbeit. Durch die Öffentlichkeitsarbeit ist das Foro Ecológico innerhalb der Stadt und in der gesamten Region bekannt geworden. Verschiedene Organisationen, Einzelpersonen und Unternehmen, sowie die Stadt und die „Casa de la Cultura“, das städtische Kulturhaus, unterstützen die Arbeit dieser Gruppe.

In „El IVO“, einem Neubauviertel aus kleinen, aneinander gereihten Häusern, entstand das erste „Centro de Acopio“. Die Zusammensetzung der Bevölkerung ist sehr gemischt. Zapoteken leben neben anderen ethnischen Gruppen, Angehörige des PRI neben COCEI-Aktivistlnnen. Die Bewohnerinnen des IVO wachsen erst langsam zu Nachbarschaften zusammen. Das Viertel liegt am Rande der Stadt hinter der Eisenbahnlinie. Die Verkehrsanbindung ist schlecht, viele der Bewohnerinnen laufen zu Fuß über die Schienen zu ihrem Haus. Vor zwei Jahren machte der gesamte Bereich zwischen Schienen und Häusern den Eindruck einer großen Müllhalde. Autoreifen, Plastiktüten, jede Art von Abfall säumte die Bahnlinie.

Seit Ende 1992 bringen viele Familien des IVO ihren schon vorsortierten Müll in einen blühenden Garten. Erst auf den zweiten Blick lässt sich erkennen, dass es sich hier um eine Müllsammelstelle handelt. Der „Vivero“, die Gärtnerei mit Pflanzenschule, lädt inmitten einer Abfallwüste zum Verweilen ein. Die Erde der „Compostas“, der Komposthaufen, reift im tropischen Klima Juchitáns in drei Monaten und regt das Pflanzenwachstum an. Der Brunnen inmitten des Zentrums tränkt die Erde in der Trockenzeit.(1)

Vom Zentrum der Stadt führen zwei Brücken über den Fluss zum Stadtteil Cheguigo. Direkt neben der großen von Autos befahrenen Brücke wurde das Flussufer gesäubert, begradigt und eine ebene Fläche angeschüttet. Dort entstand „GUIGU BICU NIZA“, ein zweites „Centro de Acopio“. Es dient als Zentrum für ökologische Erziehung. Die in der Nachbarschaft wohnenden Familien kennen sich seit Generationen, die Beteiligung am Aufbau des Zentrums war von Anfang an gut. Schon nach kurzer Zeit hat das Nachbarschaftskomitee die Öffentlichkeitsarbeit in die Hand genommen und viele der Anwohner bringen ihre Abfälle hierher. Wie im ersten Zentrum gibt es auch hier eine „palapa“, die Gärtnerei, Kompostanlagen und Müllseparierboxen. Alles ist ein wenig großzügiger angelegt, die gesamte Anlage schon durch die Lage direkt am Fluss noch einladender als das Zentrum im IVO. Von der Brücke aus gesehen erscheint dieser neu geschaffene Ort wie eine Erholungsstätte. Zum ersten Mal seit vielen Jahren kommen wieder Menschen hierher, um sich am Ufer niederzulassen, dem Treiben der Vögel und Schweine zuzuschauen und ihren Fluß zu genießen. Das Projekt des ökologischen Forums, den Fluss als Bestandteil des städtischen Lebens zurückzugewinnen, hat damit deutlich an Konturen gewonnen.

Im April 1992 wurde mit dem Bau dieses Zentrums begonnen. Seit seiner Fertigstellung wird es von Besuchergruppen genutzt. Zur Woche für die Rechte der Kinder kamen alle 25 Kindergärten Juchitáns, um sich das neu entstandene Zentrum anzusehen. Die Kinder wurden daran beteiligt, den Müll zu sortieren, und waren öffentlich stark beeindruckt von dieser Erfahrung. Anschließend malten sie ohne thematische Vorgabe. 60% der Bilder handelten von ihren Erfahrungen im „Centro de Acopio“. Die „casa de cultura“, das Kulturhaus Juchitáns, stellte eine Reihe der Gemälde aus und von allen Seiten wurde diese Aktion als ausgesprochen erfolgreich begrüßt. Seitdem kommen die Kinder ins Zentrum und spielen dort und organisieren Feste unter der Palapa. Seit dieser ersten Erfahrung wird GUIGU BICU NIZA, „Maiskolben am Fluss der Hunde“, als Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit von vielen Gruppen genutzt, um Erfahrungen auszutauschen, an Konferenzen teilzunehmen oder sich zu informieren.

Es ist viel Fingerspitzengefühl notwendig, um die Centros de Acopio in den Stadtteilen zu erbauen. In dieser zapotekischen Gesellschaft können dies nur die einheimischen Bewohner, die mit den Umgangsformen und Sensibilitäten ihrer Landsleute vertraut sind. Außenstehenden, die den richtigen Ton nicht treffen, vielleicht auch nur, weil sie kein zapotekisch reden, haben hier einen schwereren Stand. An dieser Stelle wird deutlich, wie wichtig die Öffentlichkeitsarbeit für dieses Projekt ist. Informations- und Aufklärungsarbeit wird von allen Beteiligten ständig geleistet. Zeitungsartikel werden geschrieben, Pressekonferenzen organisiert, Fernsehberichte erstellt, eine eigene Zeitung wird herausgegeben und die „festivales del rio“, die Flussfeste, schaffen eine der hiesigen Kultur angemessene Öffentlichkeit.

La Promoción

Die Centros de Acopio sollen innerhalb der Stadtteile funktionieren. Das Konzept ist dezentral und lebt von der Beteiligung der Anwohner, die möglichst ihr Zentrum selbst verwalten sollen. Für die Anfangsjahre ist jedoch der Einsatz der „Promotoras“, der Öffentlichkeitsarbeiterinnen, von besonderer Bedeutung. Ende 1992 arbeiteten sechs Promotoras dort, wo bereits Zentren existieren oder gerade entstehen, in folgenden Bereichen:

1. Familienbesuche. Nach und nach werden alle Familien eines Stadtteils besucht. Ihnen wird erklärt, wie man Müll separieren kann, wie man einen Komposthaufen anlegt und wie ein Centro de Acopio arbeitet. Eine Familie aus dem Stadtteil beruft eine Versammlung ein, auf der ein Film gezeigt und die Arbeit des Foro und die Funktionsweise der Zentren erklärt wird. In den anschließenden Diskussionen werden alle Meinungen dazu gehört, die weitere Arbeit orientiert sich an den Bedürfnissen der Anwohner.

2. Modellfeste. In den schon existierenden Centros de Acopio werden Feste gefeiert. Wenn man weiß, dass das Feste-Feiern in Juchitán Bestandteil einer Ökonomie der sozialen Umverteilung ist, wird klar, dass sie hier eine weitaus tiefergehende Bedeutung haben als in unserem Kulturkreis. Wer, wie und unter welchen Vorzeichen Feste ausrichtet, steht im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion und so haben die Modellfeste des Foros Vorbildcharakter. Sie greifen die alten Möglichkeiten der zapotekischen Tradition wieder auf. Die „botana“, das Festessen, und die Getränke werden z.B. in Tongefäßen serviert, und vor allem die Kinder sehen hier deutlich alternative Möglichkeiten zur um sich greifenden Plastikkultur.

3. Nachbarschaftskomitees. Beim Aufbau der Nachbarschaftskomitees, die letztlich über die Entwicklung der Zentren entscheiden sollen, helfen die Promotoras, sofern es gewünscht wird. Sie vermitteln Erfahrungen beim Aufbau der „mesas directivas“, der Leitungsgruppe, schlagen regelmäßige Treffen vor und beteiligen sich an den ersten gemeinsamen Runden. Dann jedoch überlassen sie die Arbeit der Gruppe.

4. Schulbesuche. Die Promotoras gehen in alle Schulen Juchitáns, um Unterrichtseinheiten über die ökologischen Probleme der Region und über Lösungsmöglichkeiten durchzuführen. Sie führen zunächst Gespräche mit den Direktoren, den Eltern der Schüler und den Lehrern. Dann wird mit den Kindern gearbeitet; es werden Führungen durch die Zentren organisiert und im Unterricht die Erfahrungen aufgearbeitet, was sehr gut ankommt. Im Foro mitarbeitende Künstler erteilen den Kindern auch Malunterricht.

In den Stadtteilen mit großen Müllproblemen setzen sich die Promotoras dafür ein, dass die Bewohner gemeinschaftlich ihren Stadtteil säubern und den Abfall in die bereits bestehenden Zentren bringen. Für die Informations- und Aufklärungsarbeit werden spezielle Broschüren angefertigt, die in den Familien und Schulen verteilt werden. Außerdem wird eine Zeitschrift herausgegeben.

Die Organisation des Foro

Wie in allen autonomen, selbstorganisierten Projekten ist auch hier die Entwicklung einer funktionierenden, arbeitsteiligen und gleichberechtigten Zusammenarbeit mit vielen Auseinandersetzungen verbunden. Das Foro ist sehr schnell gewachsen und immer mehr Personen beteiligen sich an der Arbeit.

Wie weit ist es Aufgabe eines autonomen Projektes, seine Ideen mit staatlichen Mitteln weiterzuverfolgen? Welche Abhängigkeiten entstehen dadurch? Wird das Projekt hierdurch überflüssig? Fragen wie diese stellen sich mit dem Größer werden des Projektes und mit dem zunehmenden öffentlichen Interesse an der Arbeit des Foro. Es sind die gleichen, wie sie auch hier bei autonomen Projekten auftauchen, die von Staatsgeldern abhängig sind. Die gleichen Diskussionen um Autonomie oder Einbindung, um Entscheidungsfreiheit oder Abhängigkeit von äußeren Bedingungen, fanden auch innerhalb des Foro statt. Vor allem die Übernahme ihrer Ideen durch PRONASOL wurde sehr unterschiedlich eingeschätzt. Während die einen es positiv befürworteten, dass das staatliche Programm Mittel zur Ausweitung ihres Modells zu Verfügung stelle, fürchteten andere die Übernahme ihres Projektes durch staatliche Institutionen. Damit könne ihre Unabhängigkeit, zu entscheidenden Fragen der Ökologie in Mexiko Stellung zu beziehen, verloren gehen.

Gegenwärtig geht es darum, bereits bestehenden Projekte als Modelle für ökologische Müllsammlung und -aufbereitung zu nutzen. (2) Dabei sollen vor allem kulturelle Aktivitäten integriert werden, was ohne Arbeitsteilung nicht geht. Die Promotoras, sechs Frauen, die von Marina Meneses koordiniert werden, arbeiten in den verschiedenen Stadtteilen. Hinzu kommen die jeweils vier Personen, die in den beiden Centros de Acopio zusammenarbeiten. Am Aufbau der neuen Zentren (PRONASOL) arbeiten derzeit fast 30 Arbeiter und 6 Foro-Mitglieder, die von Raymundo Lucero koordiniert werden. Die Öffentlichkeitsarbeit leisten unter anderen Vidal Candelaria und Marina Meneses. Julio Bustillo koordiniert die gesamte Arbeit des Foro und hat vor allem die sozialen Kontakte in Juchitán, ohne die ein solches Projekt in dieser zapotekischen Gesellschaft nur schwer erfolgreich existieren könnte. Zwei Männer leisten technische Hilfe, um die Projekte abzusichern, und daneben gibt es eine Fülle von Personen und Institutionen, die die Arbeit des Foro mit ihren jeweiligen Möglichkeiten unterstützen, so die Stadtverwaltung, das Kulturhaus und die Bierfabrik La Corona. Die informelle Organisationsstruktur, die sich herausgebildet hat, erschwert die unkomplizierte und direkte Information und Kommunikation unter den Mitgliedern erheblich. Gelegentlich werden Informationen nicht weitergegeben, es gibt Missverständnisse etc., und es muss viel Energie darauf verwandt werden, um gegenseitigen Respekt und Achtung vor der Arbeit der anderen zu wahren.

Die Bedeutung des Foro Ecológico in Mexiko – und darüber hinaus

Unabhängige Projekte, die konkrete Arbeit leisten, gibt es nur sehr wenige. Dies hängt auch mit dem Mangel an Geld zusammen. Staatliche Förderung gibt es nur vereinzelt. Durch die Teilfinanzierung des Foro Ecológico über die Heinrich-Böll-Stiftung konnte hier in Juchitán eine Arbeit geleistet werden, die in kurzer Zeit zu den dargestellten Projekten führte – eine Möglichkeit, die andere Projekte nicht haben. Eine spezielle Bedeutung hat das Foro jedoch vor allem deshalb, weil hier innerhalb einer unabhängigen Organisation, selbstbestimmt eine Arbeit in einer indianischen Gesellschaft geleistet wird, die ausschließlich von den Bewohnern Juchitáns selbst getragen wird. Auch wenn zeitweise Hilfe von außen notwendig ist, und der Austausch mit „Fremden“ – seien sie aus anderen Regionen Mexikos oder aus anderen Nationen – hilfreich ist, ist das Foro in erster Linie eine Gruppe von Zapoteklnnen, die für ihre eigene Stadt eine Lösung der Umweltprobleme suchen. Die Ideen für die Centros de Acopio haben sie selbst entwickelt, es gibt keine von außen kommende Bedingung für die Realisierung ihrer Vorstellungen.

Für ein Selbsthilfeprojekt ist der Austausch mit anderen Projekten, die in ähnlichen Bereichen arbeiten, ausgesprochen wichtig. Zunehmend besuchen Gruppen das Foro, um sich zu informieren; Konferenzen werden hier organisiert, regionale Zusammenschlüsse wie das „red tropical“, das tropische Netzwerk, werden gebildet. Foro-Mitglieder fahren in andere Orte zu Tagungen. Mitarbeiterinnen des Foro wurden von der Heinrich-Böll-Stiftung eingeladen, um in Deutschland zwei Wochen lang ökologische Projekte zu besuchen und Erfahrungen auszutauschen. Es kamen Julio Bustillo, Raphael Ruiz sowie Isolda Gonzalez mit ihren Kindern Yatzil und Sirani. Im Verlauf der zwei Wochen besuchten sie verschiedene Projekte in Bielefeld, Bremen, Herford, Witzenhausen und Berlin, lernten Pflanzenkläranlagen kennen, Recyclingmethoden für Plastik, Glas und Papier, Kompostanlagen und Kleinkompostierbehälter. Sie hielten mehrere Vorträge über ihr Projekt in Juchitán und es stellte sich heraus, dass die hiesigen Projekte von dem Foro und seiner Arbeitsweise viel lernen konnten und dass die Verknüpfung von Ökologie und Kultur, von Ökologie und Bildungsarbeit vor dem Hintergrund der lokalen Situation Juchitáns die Stärke und Überzeugungskraft dieses Projektes ausmacht. Eine „Entwicklungshilfe“ braucht das Foro Ecológico gewiss nicht.

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[1] Eine Fülle von heimischen Pflanzen wächst schnell in den kleinen mit Erde gefüllten Beuteln, bis sie groß genug zum Verkauf sind. Ganzer Stolz der „Viveristas“, der Gärtnerinnen, ist die hier so seltene Pflanze „Jamaika“, die einen köstlichen Tee liefert. Eine „Palapa“, ein palmengedecktes Dach, lädt zum Sitzen ein und sorgt für Schatten, wenn die „Recicladores“, die Müllsortierer, ihrer Arbeit nachgehen. Im Zentrum werden organischer Müll, Blech, Karton, Glas und Plastik angenommen. Recycelt wird derzeit ausschließlich der organische Müll. Karton, Glas und Blech werden zur Weiterverarbeitung verkauft.

[2] Mittlerweile spielt die Umweltproblematik in Mexiko eine große Rolle. Regenwaldabholzung, Wasserverschmutzung, die Luftverpestung in Mexiko-Stadt sind Themen, die immer wieder die Zeitungen füllen. In fast allen Städten gibt es inzwischen einen „regidor de ecologia“, einen Beauftragten für Ökologie/ragen, der jedoch meist nur mit wenig Kompetenzen ausgestattet ist.

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