Die bolivianische Partei PODEMOS greift auf bereits in den 1970er Jahren entstandene Strukturen zurück und geht aus der am 23. März 1979 gegründeten rechtsgelagerten Partei ADN, Acción Democrática Nacionalista, hervor. Gründer ist der berüchtigte General Hugo Banzer Suárez, welcher sich 1971 Kraft des Militärs an die Macht putschte. Die rechtsausgerichtete Politiklinie Banzers erlaubte trotzdem einen wichtigen Pakt mit dem PIR, Partido de la Izquerda Revolucionaria, einer eher kommunistisch orientierten Partei, welche 1940 von José Antonio Arze gegründet worden war. Gleichzeitig wurde ein Pakt mit der FSB, Falange Socialista Boliviana, einer 1937 gegründeten Mitte-Rechts Partei, geschlossen. Diese „Volksfront“ garantierte Banzer einen breiten Zugriff auf jenen Teil der Arbeiterklasse, welche sich bis dato durch FSB und PIR vertreten glaubte.
Vom Diktator zum Demokraten „transformiert“, leitete Banzer die Partei ADN bis 2001. Ab da wurde Partei und Land vom bisherigen Vizepräsidenten Jorge Fernando „Tuto“ Quiroga Ramirez geleitet. Quiroga nahm (nach dem krankheitsbedingten Rücktritt Banzers) vom 7. August 2001 bis August 2002 auch das Amt des bolivianischen Präsidenten wahr. Der Tod Banzers leitete die neue Ära des Parteiführers Quiroga ein und machte den Weg für eine Neuorganisierung der bisherigen ADN frei: Während der Präsidentschaftswahlen 2005 trat Tuto Quiroga mit PODEMOS zur Wahl an. Mit dieser Neuetikettierung erhoffte sich die Parteispitze, den nötigen Wandel tradierter parteilicher Machenschaften und Strukturen zu symbolisieren. Ob es sich dabei um einen wirklichen Paradigmenwechsel handelt, ist auch innerhalb der Parteibasis stark umstritten. Denn gleichzeitig verdeutlicht die Umbenennung das Scheitern bisher etablierter Parteien. Mit einem Wahlergebnis von 28,6% im Jahre 2005 platzierte sich Quiroga mit PODEMOS jedenfalls gleich hinter den MAS als größte Oppositionspartei.
Nicht grundlos wird PODEMOS mit der saturierten Gesellschaft der Media Luna assoziiert. Quiroga ist selbst das beste Beispiel für einen Vertreter der bolivianischen Oberschicht. Nach seinem Studium in den USA arbeitete er Anfang der 1980er Jahre für IBM, später für Mintec und Banco Mercantil, um dann mit seiner politischen Karriere zu beginnen. Doch besonders Folgendes erklärt die historische Affinität von PODEMOS zur Media Luna: Während der 1970er Jahre investierte Banzer stark in die Infrastruktur in Boliviens Tiefland, speziell im Departemento Santa Cruz. Das hatte zwei Gründe. Zum einen betrieb Banzer einen beispielslosen Ressourcenabbau – Bolivien war als ‚rental state’ nur mit funktionierender Infrastruktur in der Lage Gas zu exportieren. Zum anderen wurde die wirtschaftliche Wundertüte der ernannten Präfekten prall gefüllt, regionale Dezentralisierungstendenzen wurden so Opfer eines wirtschaftlichen „Präventivschlags“ des Generals. Die Nutznießer großzügiger Kreditvergaben sind auch jetzt das Klientel von PODEMOS in Boliviens Tiefland. Es verwundert daher nicht, dass sich PODEMOS die Verteidigung der departementalen Autonomien auf die Fahne geschrieben hat.
PODEMOS ist seit seinem Bestehen stark fragmentiert, legalistisches und radikales Lager stehen sich gegenüber. Gerade die uneindeutige Positionierung von PODEMOS während der Verhandlungen der Constituyente hat das gezeigt. Bei der Aprobación des Verfassungstextes im Altiplano glänzte PODEMOS besonders mit Abwesenheit. Zudem haben viele Interna die Partei zerfleischt, laut Umfragen ist die Zufriedenheit mit PODEMOS seit 2005 zurückgegangen. Quiroga versucht mit einem diplomatischen Kurs aus der bolivianischen Konfliktmüdigkeit mit Hilfe des Mediators Kirche Kapital zu schlagen. Seit den gewalttätigen Ereignissen in Cobija Ende 2008 ist es jedoch wieder der MAS, der die legalistische Debatte dominiert.
Die Aggregation und Integration gesellschaftlicher Interessen – um von den systematischen Parteifunktionen von PODEMOS zu sprechen – orientiert sich an einer liberal-konservativen Linie. Genau hier verläuft die Konfliktlinie mit dem MAS, welcher für soziale Revolution steht – Klassenbeseitigung statt Klassenkampf. MAS und PODEMOS vice versa: in der Funktion der Zielfindung ist PODEMOS stark an den MAS im Sinne einer Oppositionspartei gekoppelt, es gelingen keine programmatischen Quantensprünge. Auch im Bereich der Mobilisierung und Sozialisierung der Bürger hat der MAS PODEMOS längst den Rang abgelaufen. Einzig in der Elitenrekrutierung scheint PODEMOS traditionell mit eher dosierten Experimenten gegenüber der tabula rasa Strategie des MAS zu punkten.
Letztlich ist PODEMOS eine Fortsetzung von ADN. Als „Phönix aus der Asche“ konnte PODEMOS unter Quiroga bisher nicht hervorgehen. Die Umbenennung von ADN in PODEMOS entpuppt sich als Dilemma: einerseits soll ein Richtungswechsel markiert werden, hinweg aus Banzers Schatten, andererseits scheint die Identifizierung der Parteimitglieder mit ihrer Partei darunter zu leiden.
Literatur:
La Razon
La Prensa
Draeger, Hartmut: Autonomie – ein schönes Wort, Info Bolivia, Berichte und Analysen Nr. 153, Februar – April 2008
Jiménez, José Blanes: De la Ley de Descentralizaciòn a la Elecciòn de Prefectos: El Camino de la Descentralizaciòn Boliviana, Dezember 2007
Quiroga, Yesko: Bolivia: Revoluciòn en democracia? Lateinamerika Analysen 14, September 2006