Quetzal Vogel
News Icon
Quetzal

Politik und Kultur in Lateinamerika

Template: single_normal
Artikel

Branko Marinkovic – Magnat, Politiker und heimlicher Kriegsherr

Zeitschrift Schattenblick | | Artikel drucken
Lesedauer: 7 Minuten

Im Konflikt zwischen der bolivianischen Regierung unter Führung von Präsident Evo Morales, die von der Mehrheit der überwiegend in Armut lebenden Bevölkerung unterstützt wird, und ihren erbitterten Gegnern in den wohlhabenden Provinzen des südöstlichen Tieflands kristallisiert sich Branko Marinkovic zum einflußreichsten und gefährlichsten Gegenspieler der Administration in La Paz heraus. Der 41 Jahre alte Vorsitzende des Bürgerkomitees von Santa Cruz besitzt die kroatische und bolivianische Staatsbürgerschaft, gehört zu den reichsten Männern des Landes und lenkt ein Wirtschaftsimperium aus Großgrundbesitz, Rinderzucht, Speiseölproduktion, Bankbeteiligungen und weiteren Sparten, das sich zu einem geringeren Teil in Kroatien und zum überwiegenden in Bolivien verzweigt.

Was seine Herkunft und den Reichtum in seinen Händen betrifft, kursieren zwei einander widersprechende Versionen. Seinen Angaben zufolge hat sein Vater im Zweiten Weltkrieg als Partisan mit Tito gegen die Deutschen gekämpft, worauf die Familie in den 1950er Jahren aus Jugoslawien nach Bolivien ausgewandert ist, um sich dort mit Fleiß und Tatkraft eine neue Existenz aufzubauen. Er selbst habe sich nach dem Studium der Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften an texanischen Universitäten dem Familienunternehmen gewidmet und seit einiger Zeit auch politisch engagiert, um sich gegen die Übergriffe der Regierung zur Wehr zu setzen wie auch die freiheitlichen und produktiven Interessen der Region zu verfechten.

Natürlich wirft diese Version seiner Lebensgeschichte eine Reihe von Fragen auf. Als Mitstreiter Titos dürfte sein Vater nicht über große Besitztümer und Vermögenswerte verfügt haben. Sollte die Familie also ihre bolivianische Existenz in relativ bescheidenen Verhältnissen begonnen haben, ist kaum zu erklären, wieso sie allein auf Grundlage emsiger Arbeit in der zweiten Generation bereits zu den reichsten des Landes gehört.

Inzwischen hat die Regierung eine gänzlich andere Vita des Branko Marinkovic unters Volk gebracht. Einer Dokumentation zufolge, die landesweit im Fernsehen gesendet wurde, gehörte sein Vater der faschistischen Bewegung an, die Kroatien bis zur Niederlage in ihrer Gewalt hatte. Silvio Marinkovic habe Beziehungen zu kroatischen Faschisten unterhalten, die sich zusammen mit ihren hochrangigen nationalsozialistischen Schutzherrn nach Südamerika abgesetzt haben. Der Reichtum der Familie entstammt nach Auffassung der Regierung nicht zuletzt aus illegaler Inbesitznahme von Land, das man dem Volk der Guarayo geraubt hat. Wenn Branko Marinkovic heute die Autonomie im Munde führe, schwebe ihm eine Abspaltung der reichen Provinzen nach dem Muster Kroatiens bei der Zerschlagung Jugoslawiens vor.

Marinkovic, der ob seiner Position inzwischen nicht nur von bolivianischen, sondern auch kroatischen und US-amerikanischen Medien gründlicher unter die Lupe genommen wird, bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe vehement und nennt sie eine Verleumdungskampagne der Regierung. Für persönliche Stellungnahmen ist er derzeit zumindest in Bolivien nicht zu erreichen, da ihn seine internationale Öffentlichkeitsarbeit durch mehrere südamerikanische Staaten führt. Böse Zungen behaupten allerdings, er habe sich vorsichtshalber abgesetzt, um nicht für die jüngsten Unruhen zur Verantwortung gezogen zu werden.

Er bereist Argentinien, Brasilien, Chile und Paraguay, um für die Autonomie der bolivianischen Ostprovinzen zu werben und gegen die Gewaltakte zu protestieren, die seinen Angaben zufolge von der regierenden Bewegung zum Sozialismus in der Provinz Pando provoziert wurden. Folgt man seiner Logik, haben sich die siebzehn getöteten und zahlreichen verwundeten Bauern selbst zuzuschreiben, daß sie von angeheuerten Paramilitärs unter Feuer genommen wurden. Offenbar reagiert Marinkovic mit seiner Reisetätigkeit auf die bemerkenswert rasche und einmütige Stellungnahme der erst im Frühjahr gegründeten Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR), die sich geschlossen hinter Präsident Morales gestellt hat. Sollte es den Sezessionisten nicht gelingen, die erhoffte Unterstützung aus dem Ausland zu gewinnen, ist es schlecht um ihre Vorhaben bestellt.

Die Korrespondenten kroatischer Medien haben den prominenten Landsmann aufgesucht und anerkennend über seine Sprachkenntnisse, seinen Landbesitz in beiden Ländern und seine hohe soziale Stellung in der hellhäutigen Oberschicht des bolivianischen Tieflands geschrieben. Sie sind jedoch auch Vorwürfen nachgegangen, Marinkovic habe versucht, Söldner in Montenegro, der Heimat seiner Mutter, anzuwerben, was er natürlich ebenso vehement bestreitet wie alle anderen Verdachtsmomente, die in eine derartige Richtung zielen.

Fest steht indessen, daß Marinkovic die Führerfigur der Jugendunion von Santa Cruz ist, einer rechtsradikalen Schlägertruppe, die als militanter Arm des Bürgerkomitees Gewaltakte in den Armenvierteln und gegen Bauern verübt. Das Hauptquartier der Jugendunion befindet sich Tür an Tür mit den Büroräumen ihres „visionären Führers gegen die Diktatur des Hochlands“, den man jederzeit unter Einsatz des eigenen Lebens schütze, wie es unverhohlen auch in offiziellen Interviews heißt. Fast immer ist die Jugendunion beteiligt, wenn arme Leute auf offener Straße gequält und gedemütigt werden, wenn man Regierungseinrichtungen besetzt oder zerstört, wenn Unruhe geschürt und Destabilisierung provoziert wird.

Ohnehin ist Santa Cruz, das Verwaltungszentrum der gleichnamigen Provinz, nicht nur die Hochburg der separatistischen Opposition, sondern auch der offen rassistischen Organisationen. Neben der Jugendunion ist dies vor allem die Bolivianische Sozialistische Falange, die sich nicht nur was ihren Gruß betrifft die faschistische Falange des spanischen Franco-Regimes zum Vorbild genommen hat. Da sich die Eliten und bessergestellten Schichten aus den hellhäutigen Nachkommen europäischer Einwanderer rekrutieren, weisen die Widersprüche der bolivianischen Gesellschaft eine extrem rassistische Komponente auf. So wird das Bestreben der Regierung, die Lebensverhältnisse der in Armut lebenden indígenen Bevölkerungsmehrheit zu verbessern und deren Kultur anzuerkennen und zu fördern, von der Opposition propagandistisch als Versuch diffamiert, die Weißen zu berauben und zu unterdrücken.

Wie Marinkovic nicht müde wird zu behaupten, sei er nur deswegen in die Politik gegangen, weil er den Abstieg zu Intoleranz und Haß gegen hellhäutige Bolivianer wie ihn selbst abwenden wolle. In Interviews und bei offiziellen Anlässen stets spanisch sprechend, um als waschechter Bolivianer wahrgenommen zu werden, ist er so dreist zu behaupten, er favorisiere eine Politik, die indígenen Völkern des Tieflands wie den Guaraní und Guarayo zugute komme, wobei er den gewaltsamen Widerstand der Großgrundbesitzer gegen jegliche Landreform und die zahllosen Drangsalierungen von Kleinbauern und Landlosen geflissentlich verschweigt.

Auch weist er den Vorwurf weit von sich, er wolle Bolivien spalten. Wenn das Land die Krise überstehen wolle, so nur als Ganzes, beteuert er im Gespräch mit Vertretern ausländischer Medien. Schließlich wäre es angesichts seines unternehmerischen Engagements wirtschaftlicher Selbstmord, einen Bürgerkrieg herbeizuführen. Sein Speiseöl werde überall im Land verkauft und eine Bank, an der er beträchtliche Anteile besitze, verfüge über ein landesweites Filialnetz. Als prominente Person des öffentlichen Lebens sei er zur Zielscheibe einer bösartigen Schmutzkampagne der Regierung geworden, die eine gezielte Desinformation der Öffentlichkeit betreibe.

So stellt er sich als Friedenstaube dar, der nichts ferner liegt, als Unruhe zu stiften, Konflikte zu provozieren und das Land zu destabilisieren. Wer ihm solche Vorwürfe macht, sei Lügen und Verdrehungen der Regierung auf den Leim gegangen, die sich den ehrlich verdienten Besitz der Weißen unter den Nagel reißen und ihre Indianerfreunde zu den Herren des Landes machen wolle. Dabei läßt er es aber nicht bei versöhnlichen Botschaften bewenden, sondern legt mit einer kaum verhohlenen Drohung nach: Ohne eine legitime internationale Vermittlung in dieser Krise müsse es unweigerlich zu weiteren Auseinandersetzungen kommen, die unglücklicherweise blutig und schmerzlich für alle Bolivianer wären.

In diesem Konflikt ist Branko Marinkovic eine jener zwielichtigen Figuren, die als reiche Geschäftsleute, Politiker und heimliche Kriegsherrn eine führende Rolle bei der Zerschlagung von Staaten im Dienst globalstrategischer Interessen wie auch des eigenen Machtgewinns spielen. Soweit bekannt, ist er mehrfach mit dem inzwischen des Landes verwiesenen US-Botschafter Goldberg zu Beratungen zusammengetroffen. Man darf wohl annehmen, daß dies nicht sein einziger Kontakt zu ausländischen Hintermännern und Kumpanen war.

—————————————–

Dieser Artikel erschien am 29. September 2008 in der elektronischen Zeitschrift SCHATTENBLICK. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des MA-Verlag.

Elektronische Zeitschrift SCHATTENBLICK im MA-Verlag
www.schattenblick.de -> Infopool -> Politik -> Redaktion

LATEINAMERIKA/2085: Der starke Mann der bolivianischen Opposition (SB)
Copyright 2008 by MA-Verlag, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth