Eine Geschichte wie aus dem Märchenbuch, und irgendwie ist sie das wohl auch. Das Melodrama Ollantay ist eines der ältesten Stücke lateinamerikanischen Theaters. Niemand weiß genau, wann es entstanden ist. Sicher ist, daß es in Peru eine mündliche Überlieferung des Stückes gab, die im Kloster Santo Domingo in Cuzco (übrigens erbaut über den Ruinen des Sonnentempels der Inkas) aufgezeichnet wurde. Die Originalsprache von Ollantay ist Quechua, Übersetzungen ins Spanische datieren aus dem 18./19. Jahrhundert.
Man weiß auch, daß diejenigen, die das Stück aufzeichneten, es den Gepflogenheiten europäischen Theaters anpaßten, die europäische Aufklärung hat deutliche Spuren hinterlassen. Im Inkareich hatte Theater erzieherische Funktionen, es sollte zur Festigung der Moralvorstellungen beizutragen. So wäre ein Theaterstück über eine unstandesgemäße Liebesbeziehung mit Happy End in jener Zeit, unmöglich gewesen. Auch Ollantays Diener, Piqui Chaqui, wäre als vorlauter Stichwortgeber seines Herrn in der Inkazeit so undenkbar. Experten sind sich inzwischen einig, daß der Kern des Stücks auf vorspanische Quellen zurückzuführen ist. Den Inka Pachacútec gab es tatsächlich; die Festung Ollantaytambo ist bis heute legendär und gehört zu den bedeutendsten archäologischen Zeugnissen Perus. Ein wichtiger Beleg für die Entstehung im vorkolumbischen Peru sind die verschiedenen Yarawis in diesem Stück, Lieder, die ganz in alter Tradition stehen. Zum anderen ist das Quechua-Original von Ollantay z.T. in Blankversen verfaßt, die die Spanier zu dieser Zeit noch nicht kannten. Im vorkolumbischen Peru hatten Amautas und Harahuicus die Aufgabe, die mündliche Überlieferung – Chroniken, Poesie – zu bewahren. Möglicherweise hat einer dieser „historischen Beamten“ das Stück einem quechuakundigen Spanier vorgetragen, der es dann aufgezeichnet hat.
Bis heute genießt die Geschichte von Ollantay in der Andenregion, besonders in Peru und Ecuador große Popularität und wird nach wie vor, vor allem in ländlichen Regionen, aufgeführt. Es existieren verschiedene Versionen; unsere Übersetzung folgt einer spanischen Fassung von Gabino Pacheco Zegarra aus dem 19. Jahrhundert.