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attac – Eine andere Welt ist möglich
Ein Selbstporträt

Till Dörgens | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Eigentlich heißt es: „Papier ist geduldig“. Doch im Dezember 1997 erschien in Le Monde Diplomatique unter dem Titel „Entwaffnet die Märkte!“ ein Leitartikel vom Chefredakteur der Zeitung, Ignacio Ramonet. Es war jedoch nicht irgendein Artikel, und geduldig war er auch nicht. Er war nicht weniger als der Kristallisationspunkt der globalisierungskritischen Bewegung attac, die wenige Monate später gegründet wurde.

Attac bedeutet „Association pour une Taxation des Transactions Financieres pour l’aide aux Citoyens“ (etwa: Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen zum Wohle der Bürger). Der Name ist gleichzeitig Programm, denn attac setzt sich u.a. für die Einführung einer Devisenumsatzsteuer (sog. Tobinsteuer), Schuldenstreichung für die so genannten Entwicklungsländer, Schließung der Steueroasen, Demokratisierung der internationalen Finanzinstitutionen, z.B. des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, ein.

Allerdings ist es unmöglich, eine komplette Agenda von attac zu formulieren, da letztlich alles auf der Tagesordnung steht, was weg von der herrschenden neoliberalen hin zu einer gerechten Globalisierung führt. Kernelemente sind dabei stets Transparenz und gleichberechtigte Mitbestimmung aller betroffenen Parteien – im Gegensatz z.B. zum Gemauschel einiger reicher Staaten bei der Welthandelsorganisation (WTO).

2001 griff die Bewegung von Frankreich auf Deutschland, Europa und die gesamte Welt über. Vielerorts gab es eine explosionsartige Zunahme von Mitgliedern und Ortsgruppen. Allein in Deutschland gibt es momentan 80 attac-Ortsgruppen und knapp 10.000 Mitglieder. Tendenz weiterhin steigend.

Der erste deutsche attac-Kongreß in Berlin und die vorherigen Proteste anläßlich des G7/G8-Gipfels in Genua im Juli 2001 sorgten für Gründungsstimmung in Deutschland. So auch in Leipzig, wo Aktive im Oktober 2001 eine Regionalgruppe gründeten, die inzwischen zu den älteren Gruppen in Deutschland gehört.

Für das rasante Wachstum von attac gibt es viele Gründe. Zum einen entstand die Bewegung nicht aus dem Nichts. Sie vereinte Menschen, die sich zwar schon länger mit attac-Themen beschäftigt hatten, jedoch in vielen, unterschiedlichen Gruppen organisiert waren. Zum anderen wurden neue Menschen motiviert, sich für eine gerechtere Welt einzusetzen. Riesige Demonstrationen in

Seattle
(Dezember 1999, 50.000 Teilnehmer, Verhandlungen der WTO-Außenminister),
Washington, D.C.
(April 2000,20.000 Teilnehmer, Frühjahrstagung von IWF und Weltbank),
Göteborg
(Juni 2001, 20.000 Teilnehmer, EU-Gipfel),
Genua
(Juli 2001, 200.000 Teilnehmer, G7/G8-Gipfel)

verdeutlichen, daß immer mehr Menschen für ihre Vorstellungen von einer menschlicheren Globalisierung in der Öffentlichkeit eintreten. In diesem Sinne ist das attac-Netzwerk im Grunde nur ein Teil der weltweiten Bewegung für eine Globalisierung, die allen Menschen nützt.

Beispiele für konstruktive Gipfeltreffen, bei denen attac mit vielen anderen NGOs über bessere Möglichkeiten einer Globalisierung diskutierte, waren z.B. die Weltsozialforen in Porto Alegre (als Gegengipfel zu den WTO-Treffen), bei denen jeweils ca. 100.000 Vertreter von sozialen Bewegungen und sozial bzw. politisch engagierte Menschen Ideen austauschten. Im letzten Jahr hat zudem erstmals ein Europäisches Sozialforum (6.-10. November 2002 in Florenz) Stattfunden. Auch ist für Januar 2003 im indischen Hyderabad ein asiatisches Sozialforum geplant. Auf diesen Gipfeltreffen werden neben lokalen Problemen die Möglichkeiten zur Unterstützung für weltweite Bewegungen diskutiert. So verwundert es kaum, daß sich ein großer Teil von attac-Aktivisten mit der Landlosenbewegung MST in Brasilien, der EZLN in Chiapas oder den Gegnern der amerikanischen Freihandelszone (ALCA) solidarisiert.

Globalisierung in ihrer derzeitigen Form ist ein sehr komplexer Prozeß, der in erster Linie von ökonomischen Interessen vorangetrieben wird. Wichtig ist jedoch zu erkennen, daß die Auswirkungen dieser neoliberalen Globalisierung im Grunde in allen Lebensbereichen und in allen Ländern bemerkbar sein werden. Und zwar in erster Linie zum Schaden der Bevölkerung. Deshalb betreibt attac Bildungsarbeit genauso wie öffentlichkeitswirksame Aktionen, um Druck von der Straße zu erzeugen.

Vor Ort, hier in Leipzig, passiert das durch öffentliche Vorträge, Infostände, Demonstrationen und vieles mehr.

Schwerpunkt unserer Regionalgruppe für das angehende Jahr wird das WTO-Abkommen „General Agreement on Trade in Services“ (GATS, übersetzt: Allgemeines Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen) sein. Dazu wird sich aller Voraussicht nach nolens volens ein zweiter Schwerpunkt „Krieg/ Frieden“ gesellen.

Eine andere Welt ist möglich!

Till Dörges/Markus Schulze

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Wer sich für weitere Informationen interessiert, ist herzlich eingeladen, Kontakt mit uns aufzunehmen.

attac Leipzig:
http://www.attac-netzwerk.de/leipzig,
Dort finden sich auch die Termine von Plenum und Arbeitsgruppen.

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