Tierisches
Von Vögeln mit schönen Federn
Es gibt einen Vogel in diesem Land, der quetzaltótotl heißt. Er hat wunderschöne Federn in verschiedenen Farben, einen spitzen gelben Schnabel, gelbe Beine. Auf dem Kopf trägt er einen Putz aus Federn, wie der Kamm des Hahnes. Er ist so groß wie ein Vogel namens tlzonatl, welcher der urraca, der Elster, gleicht oder pega, wie sie in Spanien genannt wird.
Sein Schwanz gleicht in Form und Zusammensetzung dem der Vögel, die tzonatl, teotzunatl genannt werden und die in den Dörfern aufwachsen. Die Federn des Schwanzes heißen quezolli und sind sehr grün und glänzend. Sie sind sehr breit und wie einige Blätter der Wasserschwertlilie wiegen sie sich mit dem Wind. Dieser Vogel hat im Schwanz einige schwarze Federn, womit er die schönen Federn bedeckt, die sich inmitten dieser schwarzen befinden, (…) Der Putz, den dieser Vogel auf dem Kopf trägt ist sehr hübsch und glänzend, diese Federn werden tzinitzcon genannt. Hals und Brust diese Vogels sind rot und glänzend; dieses Gefieder ist prächtig und wird tzinitzcon genannt. Der Nacken und der gesamte Rücken haben grüne, sehr glänzende Federn. Unter dem Schwanz und zwischen den Beinen ist das Gefieder fein, hellgrün, glänzend und weich.
An den (Gelenken der) Flügel besitzt er grüne Federn, und darunter schwarze, und die untersten Federn der Flügel haben die Farbe von Horn, sind ein bißchen gekrümmt breit und spitz und sie befinden sich über den Kielen der schlanken Federn der Flügel, die quetzolaitztli heißen. Diese Vögel leben in der Provinz namens Tecolotlan, das ist in Richtung Honduras oder in der Nähe. Sie leben in Wäldern und bauen ihre Nester in den Bäumen, um ihre Jungen auf auziehen.
Historia General de las Cosas de Nueva España. Libro XI, capítulo II.
So klingt der Quetzal:
Der Quetzal
…ist einer der größten und sicherlich der bekannteste Vertreter der Trogons aus Mittel- und Südamerika. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich über die regennassen Bergwälder (bis zu 2.700 m Höhe) von Oaxaca und Chiapas (Südmexiko) bis nach Panama. Er ernährt sich von Früchten, vor allem wilden Avocados, aber auch von Insekten und kleinen Wirbeltieren.
Beim 30-35 cm großen männlichen Quetzal (Pharomachrus mocinno) ist fast das gesamte Gefieder (mit Ausnahme der blutroten Bauchseite) glänzend smaragdgrün, die äußeren 3 Schwanzfederpaare heben sich weiß ab, während die restlichen Steuerfedern schwarz sind. Das haubenartig aufgestellte Kopfgefieder schimmert golden, die Rückenfedern dagegen mehr bläulich.
Während der Fortpflanzungsperiode wachsen bei der mittelamerikanischen Unterart (Ph. m. mocinno) vier Oberschwanzfedern zu langen Schmuckfedern aus, die die Steuerfedern um 60 cm überragen und insgesamt etwa einen Meter lang werden können. Der weibliche Vogel ist unscheinbarer gefärbt: Die Kopf- und die untere Brustregion tragen braungraues Gefieder, auch sind nur die äußeren beiden Schwanzfedern weiß gefleckt. Der Quetzal wird etwa 170 g schwer.
Als Symbol für Reichtum, Fruchtbarkeit und das Leben war der Quetzal eng mit den mittelamerikanischen Kulturen verbunden. Federkronen, Standarten und Kleidung der Maya und Mexica (Azteken) wurden mit den glänzenden Federn gefertigt. Die Schwanzfedern hatten im Handel dieser Kulturen einen hohen Wert, und es war nur den Herrschern gestattet, sie zu tragen. Um an seine Federn zu gelangen, wurde der Quetzal nicht erlegt: Es wurde mit dem Tode bestraft, wer den „Göttervogel“ tötete. Die Vögel wurden lebend gefangen, ihrer langen Schwanzfedern beraubt und dann wieder freigelassen. So konnte der Quetzal die Federn in der nächsten Mauser wieder erneuern. Der Vogel fand Eingang in die Mythologie der zentralamerikanischen Völker. Die Azteken verehrten Quetzalcoatl, Gefiederte Schlange, den Gott des Windes und des Morgensterns als Schöpfergott, der den Menschen u.a. den Mais brachte.
Für die Mayas war Gefiederte Schlange, Kukulcan, die „Visionsschlange“, die den Weg symbolisiert, auf dem die Ahnen aus Xibalba, der Unterwelt, in diese Welt gelangen, wenn sie mit einem Blutopfer beschworen werden.
Noch heute wird der Quetzal verehrt. Nach wie vor lebt die Legende, wonach der Quetzal, der Schutzgeist der Herrscher, nur in Freiheit leben kann. Guatemala führt den Vogel im Staatswappen sowie auf Briefmarken, und auch die Landeswährung trägt den Namen des Vogels.
Leider nimmt heute die Zerstörung seines natürlichen Lebensraumes durch den Menschen dem Göttervogel die Existenzgrundlage, so daß der Quetzal heute stark bedroht ist. Einige Unterarten stehen deshalb unter dem Schutz des Washingtoner Artenschutzabkommens.
Der Quetzal ist ein wunderschöner Vogel. Über seine unvergleichliche Schönheit hinaus ist er jedoch ein Vogel, der sich dadurch auszeichnet, daß es nur in Freiheit leben kann.(…) Wegen seiner Pracht und Freiheitsliebe, war dieser Vogel zweifellos der Schutzgeist (Nahual) der Anführer. Er stand ihnen im Kampf bei, begleitete sie in all ihren Unternehmungen und starb, wenn sie starben. So erzählt man in Guatemala, daß bei der Ankunft der Spanier an jenem Ort, der heute Quetzaltenango heißt, Don Pedro de Alvarado und Tecún-Imán, der Anführer der Indios, einen Zweikampf führten. Während des Kampfes … flog der Quetzal über dem Kopf des indianischen Anführers und griff den Conquistador mit Schnabelhieben an. Der Vogel „verstummte“, sagt die Erzählung, und deshalb glaubt man, daß der Quetzal vor dem Tod dieses indianischen Anführers singen konnte. Wäre aber dieses verstummen nicht im Sinne des Sterbens zu deuten?
Miguel Angel Asturias: Legenden aus Guatemala
Ein kleines Gedicht
Es ist ein Hervorquellen aus kostbaren Steinen,
es ist ein Aufblühen aus Quetzalfedern,
sind sie vielleicht dein Herz,
Schöpfer des Lebens?
Niemand an deiner Seite sagt,
daß er in Armut lebe.
Nahuatl-Dichtung
nach: ARQUEOLOGIA MEXICANA, Nr. 15/9-10/1995