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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Frente Nacional

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Im Jahr 1957 vereinbarten die Liberalen und Konservativen Kolumbiens zur Überwindung der Militärregierung von General Gustavo Rojas Pinilla (1953-1957) eine Nationale Front (Frente Nacional), ein Koalitionsabkommen, eine Große Koalition wie in ähnlichen Fällen, wenn ihre Vorherrschaft gefährdet war. Das Abkommen des Frente Nacional sah vor, die bei den bisherigen Machtwechseln beobachtete Polarisierung und Ideologisierung des politischen Lebens zu vermeiden und die Machtteilhabe für beide Parteien zu sichern, indem für vier Regierungsperioden von 1958 bis 1984 ein automatischer alternierender Regierungswechsel zwischen Liberalen und Konservativen erfolgen und die Legislative sowie die öffentlichen Organe unabhängig vom jeweiligen Wahlergebnis paritätisch besetzt werden sollten. Mit dem Frente Nacional hat die in den Parteien wirkende kolumbianische Oberschicht eine zumindest formale Stabilität des politischen Systems gewährleistet. Sie verfestigte damit das alte Zweiparteiensystem, um weiter die politische Kontrolle über die Gesellschaft ausüben zu können. In der Zeit der Nationalen Front haben die politischen Spannungen soweit entschärft werden können, dass gewaltsame Explosionen abnahmen; doch belegt das Vorhandensein von Guerilla-Gruppen bis heute, dass die sozialen Gegensätze noch längst nicht abgebaut worden sind, obwohl es nicht an Entwicklungsansätzen fehlt und wirtschaftliches Wachstum vorhanden ist. Ein Korrektiv hat es für die in den beiden Parteien gruppierte Oberschicht und ihre Macht- und Wirtschaftsinteressen bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts nicht gegeben. … politische Pakt zwischen den beiden Parteien, der 1974 noch einmal um vier Jahre verlängert wurde, sowie die traditionelle Aufteilung politischer Ämter auf nationaler, regionaler und städtischer Ebene führte zu einem enormen Anwachsen der Bürokratie.
(Auszug aus: König 1997:130-131)

Die Institution der Nationalen Front zementierte die Limitierung der Mechanismen demokratischer Herrschaft: Erstens wurden diejenigen Bürger aus dem politischen Geschehen ausgeschlossen, die sich nicht über die Zugehörigkeit zu einer der beiden dominanten Parteien einbinden ließen. Zweitens wurde der politische Wettbewerb durch den Pakt zwischen Konservativen und Liberalen deinstitutionalisiert und illegalisiert. … Die Chance, das Ideal einer Demokratie im Sinne eines government of the people, by the people and for the people zu erreichen, war bis 1974 vollständig und bis zur Verfassungsreform von 1991 zum Teil blockiert.

Die Opposition gegen die Zweiparteienherrschaft erfolgte einerseits innerhalb der Parteistrukturen, was vor allem die ANAPO durch die Besetzung von Listenplätzen der Liberalen und Konservativen beinahe erfolgreich vollzog , und andererseits außerhalb der scheindemokratischen Kanäle durch die illegale, da das System bekämpfende politische Einflussnahme durch Guerillaverbände. Beide Wege führten zum Anwachsen bewaffneter Gruppen: die außersystemische Opposition direkt und die innersystemische Opposition, indem ihr letztendliches Scheitern nicht als politische Niederlage, sondern als Zeugnis der Exklusivität des Systems wahrgenommen wurde., was eine Radikalisierung folgerichtig erscheinen ließ. Das politische System verhärtete sich in zwei entgegen gesetzten Polen: dem „Zweiparteienleviathan“ einerseits und der illegalen Opposition andererseits.
(Auszug aus: Jäger 2007:162)

Erst mit der Verfassung von 1991 wurden die institutionellen Barrieren des Frente Nacional abgeschafft. Seitdem wird den Bürgern das Recht zur Gründung politischer Parteien und Bewegungen sowie der Zugehörigkeit zu einer dieser Parteien und Bewegungen garantiert.
(Auszug aus: ebenda:118)